Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
und das ist eine verfluchte Schande, denn er stammte aus allerbester Zucht. Sein Stammbaum war fast so lang wie deiner. Doch ich opfere lieber einen Hund als einen Menschen.« Als ich ihm weiter verstockt den Rücken zuwandte, fügte er beinahe gütig hinzu: »Hör auf, ihm nachzutrauern. Dann erträgt es sich leichter.«
    Aber dazu war ich nicht fähig, und der Ton seiner Stimme verriet daß er es auch nicht wirklich erwartet hatte. Er seufzte und begann schwerfällig mit seinen allabendlichen Vorbereitungen zum Schlafengehen. Es fiel kein weiteres Wort mehr, schweigend löschte er die Lampe und legte sich hin. Doch er schlief nicht, und es war lange vor Tagesanbruch, als er sich erhob, mich vom Boden aufnahm und in die warme Mulde bettete, die sein Körper in den Decken hinterlassen hatte. Er ging hinaus und kam erst Stunden später wieder.
    Was mich betraf, ich war noch Tage krank vor Trauer und fieberte. Ich nehme an, Burrich erzählte, ich hätte irgendeine Kinderkrankheit, und so ließ man mich in Frieden. Als ich wieder nach draußen durfte, war es vorbei mit meiner unbeschwerten Freiheit. Burrich beaufsichtigte mich und achtete darauf, daß ich nicht wieder Freundschaft mit einem Tier schloß. Bis zu einem bestimmten Grad hatte er Erfolg, denn es entstand keine besonders enge Verbindung zu einem bestimmten Hund oder Pferd. Ich weiß, er meinte es gut, trotzdem fühlte ich mich von ihm nicht beschützt, sondern eingeengt. Er war der Wärter, der mit fanatischem Eifer meine Isolation überwachte. Damals wurde das Samenkorn der Einsamkeit in meine Seele gepflanzt, schlug Wurzeln und gedieh zu einem unausrottbaren Teil meines Wesens.

Kapitel 3
Die Abmachung
     
    Der Ursprung der Gabe wird wohl auf ewig geheimnisumwittert bleiben. Zwar vererbt sich dieses Talent auffallend dominant in der königlichen Familie, aber es zeigt sich keineswegs ausschließlich bei Angehörigen des Herrscherhauses. Der Volksmund scheint hier recht zu haben, der sagt: »Wenn das Blut vom Meer sich mit dem Blut der Ebenen vermischt, wird die Gabe gedeihen.« Interessant auch festzustellen, daß die Outislander keine Veranlagung für die Gabe besitzen, ebensowenig die Menschen, die in direkter Linie von den alteingesessenen Bewohnern der Sechs Provinzen abstammen.
     
    Ist es der Lauf der Welt, daß alle Dinge ein Gleichmaß suchen und in diesem Gleichmaß eine Art von Frieden? Mir kommt es so vor. Alle Ereignisse, wie erschütternd oder bizarr auch immer, werden binnen kurzer Zeit banalisiert durch die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens. Männer, die auf einem Schlachtfeld zwischen den Toten nach Überlebenden suchen, werden trotzdem stehenbleiben, um zu husten oder sich zu schneuzen, heben trotzdem den Blick, um nach den ziehenden Wildgänsen am Himmel zu schauen. Ich habe Bauern pflügen und säen gesehen, ungeachtet der Schlacht, die nur wenige Meilen entfernt tobte.
    So erging es auch mir. Ich blicke auf mich selbst zurück und staune. Meiner Mutter entrissen, gewaltsam in eine fremde Umgebung verpflanzt, von meinem Vater keines zweiten Blickes gewürdigt und in die Obhut dieses Mannes gegeben, dann meines Tierbruders beraubt, erhob ich mich dennoch eines Tages von meinem Lager und nahm das Leben eines kleinen Jungen wieder auf. Für mich hieß das aufstehen, wenn Burrich mich weckte, und ihm zur Küche zu folgen, wo ich beim Frühstück neben ihm saß.
    Auch die übrige Zeit hielt er mich am kurzen Zügel. Wie sein Schatten trabte ich hinter ihm her, beobachtete ihn bei seiner Arbeit, und schließlich ging ich ihm bei vielen kleinen Dingen zur Hand. Abends saß ich wieder neben ihm auf der Bank und aß, dabei überwachte er mit scharfem Auge meine Tischmanieren. Anschließend ging es hinauf in seine Kammer, wo ich schweigend ins Feuer schaute, während er Becher um Becher leerte. Beim Trinken arbeitete er, besserte Zaumzeug aus, stellte eine Salbe her oder schrieb auf, wie ein Pferd behandelt werden sollte. Er arbeitete, und ich lernte – durch Zusehen, denn ich kann mich nur an wenige Worte erinnern, die zwischen uns gewechselt wurden. Merkwürdig, sich vorzustellen, daß zwei Jahre und der größte Teil eines dritten auf diese Weise vergingen.
    Ich lernte zu tun, was Molly tat, mir hie und da etwas Zeit für mich selbst zu stehlen, wenn Burrich abberufen wurde, um bei einer Jagd die Meute zu führen oder einer Stute bei der Geburt ihres Fohlens beizustehen. Einige wenige Male wagte ich es, mich davonzustehlen, wenn

Weitere Kostenlose Bücher