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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ob ich den Verstand verloren hatte; nichts gab es hier, nur ein von frostigen Steinen eingefaßtes kahles Rund unter einem bleigrauen Himmel. Der Wind hatte den Schnee über die an einer Brüstung aufgestapelten Skulpturen und Kübel geweht. Ich wappnete mich für Kettrickens Enttäuschung, doch in der Mitte der Dachterrasse, umtanzt von den wirbelnden Flocken, streckte sie die Arme aus und drehte sich wie ein Kind lachend im Kreis. »Es ist wunderschön!« rief sie aus.
    Ich trat einige Schritte weiter vor, hinter mir kamen die anderen aus der Tür. Kettricken war schon bei dem formlosen Hügel der verachteten Statuen, Vasen und Blumentröge. Einem Cherub streifte sie so behutsam den Schnee von der Wange, als wäre sie seine Mutter, dann wischte sie eine Steinbank frei, hob ihn hoch und stellte ihn darauf nieder. Er hatte ein beträchtliches Gewicht, doch Kettricken setzte entschlossen ihre Größe und Kraft ein, während sie noch weitere Stücke aus dem Stapel hervorzog. Jedes begrüßte sie mit Staunen und Jubel und bestand darauf, daß ihre Frauen kommen sollten, um die Funde zu bewundern.
    Ich hielt mich etwas abseits. Der scharfe Wind, der in Böen über die Terrasse fegte, weckte den Schmerz meiner Wunden und böse Erinnerungen. Hier hatte ich einmal fast nackt in der Kälte gestanden, während Galen versuchte, mir die Gabe einzuhämmern. Hier hatte ich gestanden, genau an diesem Fleck, während er mich prügelte wie einen Hund. Und hier war es gewesen, wo ich mit ihm gerungen hatte und er in mir vernichtete, was ich an Gabenpotential besaß. Dies war kein guter Ort für mich. Ich bezweifelte, daß irgendein Garten – und sei er noch so idyllisch – ihn mir verschönern konnte. Das niedrige Segment der Brüstungsmauer zog meinen Blick an, aber ich ging nicht hin, um auf die felsigen Klippen in schwindelnder Tiefe hinunterzuschauen. Der schnelle Tod, den ich damals für den einzigen Ausweg aus Verzweiflung und Schmerzen gehalten hatte, würde nie wieder eine Versuchung für mich sein. Ich verbannte Galens Malediktion aus meinen Gedanken und richtete meine Aufmerksamkeit auf die Königin.
    Die weiße Kulisse aus Schnee und Stein brachte ihre pastellfarbene, klare Schönheit zum Leuchten. Es gibt eine Blume, das Schneeglöckchen, die manchmal schon blüht, bevor noch das Frühlingstauwetter die Erde erlöst hat. Daran erinnerte sie mich. Ihr flächsernes Haar war plötzlich golden, ihre Lippen rot, ihre Wangen rosig wie die Königin der Blumen, die hier bald wieder blühen würde. Mit Augen, blau wie Saphire, betrachtete sie ihre Schätze. Im Gegensatz zu ihr duckten sich die Hofdamen, dunkelhaarig, mit schwarzen oder braunen Augen, vor der Kälte in ihre Umhänge. Sie harrten trotz der Unbilden des Wetters tapfer aus, stimmten ihrer Königin zu und teilten ihr Entzücken, aber dabei rieben sie sich frierend die Hände oder zogen den Kragen enger um den Hals. Jetzt, dachte ich, müßte Veritas sie sehen, strahlend vor Begeisterung und Leben, dann könnte er nicht anders als sie lieben. So war auch er gewesen, voller Schwung und Kraft, wenn es hinausging zur Jagd oder zu einem Ausritt ins Gelände. Früher.
    »Es ist wirklich sehr hübsch hier oben«, ergriff Lady Hoffensfroh endlich das Wort, »aber auch sehr kalt. Und man kann wenig tun, bevor nicht der Schnee geschmolzen und der Wind milder geworden ist.«
    »Aber nein, Ihr irrt Euch!« rief Kettricken. Sie lachte glücklich und stellte sich wieder in die Mitte der Dachterrasse. »Ein Garten beginnt im Herzen. Gleich morgen muß ich Schnee und Eis wegräumen, und dann müssen all diese Bänke und Statuen und Töpfe aufgestellt werden. Aber in welcher Anordnung? Wie die Speichen eines Rades? Als grünendes Labyrinth? Formal gegliedert, durch Variation von Größe und Thema? Tausend Möglichkeiten der Gestaltung gibt es, und ich muß experimentieren. Außer vielleicht, mein Gemahl erinnert sich für mich daran, wie es früher war. Dann werde ich ihm den Garten seiner Kindheit wiedergeben!«
    »Morgen, Hoheit. Seht, der Himmel wird dunkler, und es ziehen neue Wolken auf«, riet Lady Modeste. Man konnte sehen, was die vielen Treppenstufen und das Stehen in der Kälte die nicht mehr junge Frau gekostet hatten, doch sie lächelte gütig. »Ich könnte euch heute abend beschreiben, was mir von der Anlage dieses Garten noch im Gedächtnis geblieben ist.«
    »Würdet Ihr das tun?« Kettricken griff nach ihren Händen, und das Lächeln, mit dem sie ihr dankte, war wie

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