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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Veritas war nicht in seinem Schlafgemach, aber Charim traf ich an. Er hatte keine Bedenken, mich einzulassen und mir zu erlauben, den Schlüssel zu benutzen.
    Es waren mehr Schriftrollen, als ich erwartet hatte. Ich nahm einen Armvoll mit, trug sie in mein Zimmer und legte sie auf meine Kleidertruhe. Nachdem ich Feuer gemacht hatte, warf ich einen Blick auf den Verband an meinem Hals. Es war ein häßlicher Batzen Stoff, getränkt mit Blut, und ich hätte ihn wechseln sollen, aber mir graute davor, ihn loszureißen. Später. Ich legte Holz nach, setzte mich vor dem Kamin auf den Boden und stöberte in den Schriftrollen. Spinnenbeinige kleine Schrift, verblaßte Illuminationen. Doch hob ich den Blick und ließ ihn durch das Zimmer wandern.
    Ein Bett. Eine Truhe. Ein kleiner Tisch neben dem Bett. Schüssel und Kanne zum Waschen. Ein ausgesprochen häßlicher Wandteppich von König Wohlgesinnt im Gespräch mit einem Uralten. Ein Kerzenleuchter auf dem Kaminsims. In all den Jahren, die ich hier wohnte, hatte sich kaum etwas verändert. Es war ein karger und trister Raum, ohne jegliche Persönlichkeit. Plötzlich kam ich mir ebenfalls karg und trist vor, ohne Persönlichkeit. Ich apportierte, ich jagte, und ich tötete. Ich gehorchte. Mehr Hund als Mensch. Und nicht einmal ein Lieblingshund, der gestreichelt und gelobt wurde. Einer aus der Meute. Wann hatte ich zum letztenmal von Listenreich gehört? Oder von Chade? Selbst der Narr verspottete mich. Was war ich für meine Umgebung, außer ein Werkzeug? Gab es noch jemanden, der an mir Interesse hatte, um meiner selbst willen? Plötzlich konnte ich meine eigene Gesellschaft nicht mehr ertragen. Ich legte die halbgelesene Schriftrolle hin und verließ das Zimmer.
    Als ich an die Tür von Philias Gemächern klopfte, blieb erst alles still, dann fragte Laceys Stimme: »Wer ist da?«
    »Nur FitzChivalric.«
    »FitzChivalric!« Der Tonfall verriet Überraschung. Es war spät für einen Besuch von mir, gewöhnlich pflegte ich tagsüber zu kommen. Doch es tröstete mich zu hören, wie ein Riegel zurückgeschoben und ein Schlüssel im Schloß gedreht wurde. Offenbar hatten meine Worte die gewünschte Wirkung gehabt. Langsam öffnete sich die Tür, und Lacey trat zurück, um mich einzulassen. Sie lächelte unsicher.
    Ich begrüßte sie herzlich, dann schaute ich mich im Zimmer nach Philia um. Sie mußte nebenan sein, aber das war auf einmal ganz und gar unwichtig, denn in einer Ecke, den Blick auf eine Nadelarbeit gesenkt, saß Molly. Sie hob weder den Kopf, noch gab sie auf andere Weise zu erkennen, daß sie von meinem Erscheinen Notiz genommen hatte. Ihr Haar war im Nacken zu einem Knoten gefaßt und mit einem kleinen Spitzenhäubchen bedeckt. Das blaue Kleid, das sie trug, mochte an einer anderen Frau adrett und sauber aussehen, an Molly wirkte es hausbacken. Immer noch hielt sie den Blick unverwandt auf ihre Arbeit gerichtet. Ich schaute Lacey an, die mich ausdruckslos beobachtete, dann wieder Molly, und etwas in mir zerbrach. Ich brauchte vier Schritte, um das Zimmer zu durchqueren. Ich kniete neben ihrem Stuhl nieder, und als sie vor mir zurückwich, griff ich nach ihrer Hand und führte sie an meine Lippen.
    »FitzChivalric!« Philias Stimme hinter mir klang empört. Ich schaute zu ihr hin, wo sie erzürnt im Türrahmen stand, doch ich wollte mich nicht einschüchtern lassen.
    Molly hatte ihr Gesicht abgewendet. Ich hielt ihre Hand fest und sprach drängend auf sie ein. »So kann es nicht weitergehen. Ganz gleich wie töricht, ganz gleich wie gefährlich, ganz gleich, was die Leute denken, ich kann mich nicht dauernd von dir fernhalten.«
    Sie entzog mir ihre Hand, und ich ließ sie los, um ihr nicht weh zu tun, dafür umklammerte ich aber wie ein störrisches Kind eine Falte ihres Rocks. »Sprich wenigstens zu mir«, flehte ich, doch es war Philia, die das Wort ergriff.
    »FitzChivalric, dies ist kein schickliches Benehmen. Beherrsche dich!«
    »Es war weder schicklich noch klug noch angemessen für meinen Vater, um Euch zu werben, wie er es tat, und doch ließ er sich nicht davon abhalten. Ich denke, er hat damals ebenso empfunden wie ich jetzt.« Ich wandte den Blick nicht von Molly ab.
    Diese Insolenz trug mir von Philia einen Moment der Sprachlosigkeit ein, doch Molly war es, die ihre Handarbeit beiseite legte und aufstand. Sie trat von mir weg, und wenn ich ihren Rock nicht zerreißen wollte, mußte ich loslassen. Als gäbe es mich nicht, wandte sie sich an Philia.

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