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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Aber vielleicht waren sie übermäßig empfänglich für Impulse von außen, unfähig, ihr Bewußtsein gegen fremde Emotionen abzuschirmen, zu betäubt von dem Aufruhr in ihrem Innern, um auf die Schmerzsignale ihres eigenen Körpers zu achten. Ich vermag es nicht zu sagen.
    Ich habe Geschichten über mich an jenem Tag gehört. Sogar ein Lied. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich gebrüllt und Schaum vor dem Mund gehabt hätte, als ich kämpfte, doch es könnte so gewesen sein. Irgendwo in mir waren Veritas und Nachtauge, doch auch sie versanken im Rausch des Gemetzels. Ich weiß, ich tötete den ersten Korsaren, der von uns überrannt wurde; ich weiß auch, ich erschlug den letzten Mann, der noch aufrecht stand, in einem Zweikampf Axt gegen Axt. Das Lied sagt, er wäre der Kapitän des roten Schiffes gewesen. Es könnte stimmen. Seine Brigantine aus Leder war gut gearbeitet und rot vom Blut anderer Männer. Sonst kann ich mich an nichts erinnern, was ihn betrifft, außer daran, wie meine Axt ihm den Helm in den Schädel trieb und wie das Blut unter dem Metall hervorgeschossen kam, als er in die Knie brach.
    Damit war der Kampf zu Ende, die Verteidiger kamen herbeigeeilt, um ihre Retter zu umarmen, um ›Viktoria‹ zu rufen und sich gegenseitig auf die Schultern zu klopfen. Der plötzliche Umschwung war zuviel für mich. Ich stützte mich auf meine Axt, rang nach Atem und hatte Mühe, mich auf den Beinen zu halten. Die berserkerhafte Raserei war so schlagartig von mir gewichen wie der Carris-Rausch von einem Süchtigen. Ich fühlte mich ausgelaugt und verwirrt, als wäre ich aus einem Traum erwacht und in den nächsten geraten. Meine Erschöpfung war so übermächtig, daß ich mich zwischen die Toten hätte legen und schlafen können. Nonge, einer der Outislander in der Mannschaft, brachte mir Wasser und führte mich zu einer Stelle, wo ich mich hinsetzen konnte, um es zu trinken. Dann kehrte er auf die blutige Walstatt zurück, um sich am Plündern zu beteiligen. Als er etwas später noch einmal wiederkam, hielt er mir ein blutiges Medaillon hin. Ein Halbmond aus gehämmerten Gold an einer silbernen Kette. Als ich nicht die Hand danach ausstreckte, um es zu nehmen, hängte er es über den wie von schwarzroter Farbe ummantelten Kopf meiner Axt. »Es hat Harik gehört«, erklärte er und mußte in der fremden Sprache nach Worten suchen. »Du hast gut gegen ihn gekämpft. Er ist gut gestorben. Er wäre damit einverstanden, daß du es bekommst. Er war ein guter Mann, bevor die Korriks sein Herz geraubt haben.« Ich fragte nicht, welcher von ihnen Harik gewesen war. Ich wollte nicht, daß sie Namen hatten.
    Nach einer Weile hatte ich mich etwas erholt. Ich half, die Leichen vom Tor wegzutragen und dann vom Kampfplatz. Für die Korsaren errichteten wir einen Scheiterhaufen, die Unsrigen wurden Seite an Seite hingelegt und zugedeckt, falls ihre Angehörigen sie heimholen wollten. Makaber, was mir von diesem langen Nachmittag im Gedächtnis geblieben ist. Wie die Fersen eines Toten doppelte Schlangenlinien hinterlassen, wenn man ihn durch den Sand zieht. Daß der junge Wachtposten mit dem Dolch im Rücken noch nicht ganz tot war, als wir ihn aufheben wollten. Doch nur wenige Atemzüge waren ihm beschieden, und uns blieb nichts anderes übrig, als einen weiteren Toten der Reihe hinzuzufügen, die uns schon viel zu lang erschien.
    Wir ließen unseren Kampftrupp bei der dezimierten Turmbesatzung zurück, bis eine neue Mannschaft geschickt werden konnte. Dann begutachteten wir das Schiff, das uns in die Hände gefallen war. Veritas wird erfreut sein, dachte ich bei mir. Noch ein Schiff. Ein gutes Schiff. Ich wußte um die Bedeutung des Sieges, den wir errungen hatten, um den Wert der Beute, doch ich empfand nichts, keine Befriedigung, keinen Triumph. Wir kehrten zur Rurisk zurück, wo ein bleicher Justin uns erwartete. In benommenem Schweigen setzten wir uns an die Ruder und nahmen Kurs auf Bocksburg.
    Wir hatten annähernd die halbe Strecke zurückgelegt, als uns andere Boote entgegenkamen. Eine hastig zusammengestellte Flottille von Fischkuttern, beladen mit Soldaten, rief uns an. Der König-zur-Rechten hatte sie geschickt, auf Justins mit der Gabe übermitteltes dringendes Verlangen. Sie schienen fast enttäuscht zu sein, daß der Kampf vorüber war, doch unser Kapitän versicherte ihnen, sie wären im Turm willkommen. Bei dieser Gelegenheit erst kam mir zu Bewußtsein, daß ich Veritas nicht mehr spüren konnte. Schon

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