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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ich mit Genugtuung beobachten, wie sich das Gewand um seine Beine wickelte, als er an Bord ging. Ich trug vernünftige Kleidung: eine engsitzende Hose, ein Unterhemd aus Nessel und darüber ein ledernes Wams. Erst hatte ich mit dem Gedanken an so etwas wie ein Kettenhemd gespielt, aber Burrich schüttelte nur den Kopf: »Lieber sauber an einer Wunde sterben, als über Bord fallen und ertrinken«, hatte er gemeint, was Veritas ein Lächeln abnötigte.
    »Ertränken wir den Jungen nicht gleich mit einem Übermaß an Selbstvertrauen«, äußerte er trocken, und auch Burrich hatte gelächelt. Nach einer Weile.
    Also nichts Martialisches, um die Mädchenherzen höher schlagen zu lassen. Auch gut, heute war ein Rudertag, und was ich anhatte, war dafür am bequemsten. Keine Achselnähte, die spannten, keine störenden weiten Ärmel. Ich war ungehörig stolz darauf, wie sich meine Brust und meine Schultern in letzter Zeit entwickelt hatten. Selbst Molly war davon sehr angetan. Ich setzte mich auf meinen Platz und lächelte bei dem Gedanken an sie. In den letzten Wochen hatte ich viel zu wenig Zeit für sie gehabt. Nun, daran ließ sich vorläufig nichts ändern. Der Sommer brachte die Piraten. In den langen, hellen Tagen, die vor uns lagen, würde es kaum Mußestunden geben. Für mich konnte es gar nicht schnell genug Herbst werden.
    Alle waren auf ihrem Posten, eine komplette Besatzung aus Ruderleuten und Soldaten. Irgendwann, während die Leinen losgeworfen wurden, der Steuermann ans Ruder trat und die Riemen sich im Takt hoben und senkten, verschmolzen wir zu einem einzigen Lebewesen. Es war ein Phänomen, das ich schon vorher beobachtet hatte. Vielleicht war ich auch empfänglicher dafür, mein Wahrnehmungsvermögen geschärft durch die mentale Kommunikation mit Veritas. Vielleicht lag es daran, daß sämtliche Männer und Frauen an Bord sich einem gemeinsamen Ziel untergeordnet hatten, und für die meisten war es Rache. Was auch immer, es verlieh uns eine Zusammengehörigkeit, wie ich sie noch nie in einer Gruppe von Menschen erlebt hatte. Vielleicht, dachte ich, war es ein Abglanz dessen, was es hieß, Teil einer Kordiale zu sein. Ich spürte einen Stich des Bedauerns, des Verlustes.
    Du bist meine Kordiale. Veritas, wie ein Raunen hinter mir. Und von irgendwoher, aus den fernen Hügeln, leiser noch als ein Seufzen: Sind wir nicht Brüder?
    Ich habe euch, dachte ich zu ihnen zurück. Dann nahm die Arbeit meine Aufmerksamkeit in Anspruch. Riemen und Rücken hoben und senkten sich im Gleichtakt, trieben die Rurisk in den Nebel hinein. Unser Segel hing schlaff. Von einem Augenblick zum anderen befanden wir uns in einer eigenen Welt. Das Rauschen der Bugwelle, unsere gleichmäßigen Atemzüge, während wir die Ruderblätter durchs Wasser zogen. Einige der Soldaten unterhielten sich leise, Worte und Gedanken vom Nebel gedämpft. Vorn am Burg stand Justin neben dem Kapitän und starrte in die Schwaden hinaus. Seine Stirn war gefurcht, die Augen fern, ich wußte, er dachte zu Carrod an Bord der Constance. Nur zum Spaß griff auch ich mit den Gedanken hinaus, um zu prüfen, ob ich seine Gabenbotschaft spüren konnte.
    Laß das sein! warnte Veritas, und ich zuckte zurück, als hätte er mir auf die Finger geklopft. Ich will nicht, daß irgend jemand etwas von deiner Gabe ahnt.
    Hinter dieser Warnung steckte mehr, als ich im Moment Zeit hatte zu ergründen. Als wäre, was ich hatte tun wollen, äußerst gefährlich gewesen. Ich fragte mich, was er fürchtete, aber dann konzentrierte ich mich auf den steten Rhythmus der Ruderbewegungen und ließ meinen Blick von dem monotonen Grau gefangennehmen. Nirgends ein Anzeichen dafür, daß der Nebel anfing sich zu lichten. Etliche Male verlangte Justin eine Kursänderung, und der Kapitän gab dem Steuermann entsprechende Anweisungen. Soweit ich erkennen konnte, machte es keinen Unterschied, bis auf den Rieb der Strömung an den Ruderblättern. Im Inneren dieser Waschküche gab es keine Orientierungspunkte.
    Der ewig gleiche Bewegungsablauf, das Fehlen von irgend etwas, an dem das Auge sich festhalten konnte, versetzten mich in einen tranceähnlichen Zustand. Bis der Schrei des jungen Wachpostens mich in die Wirklichkeit zurückriß. »Zu den Waffen!« rief er, und dann erstickte das sprudelnde Blut seine helle Stimme. »Der Feind ist da!«
    Ich sprang von meiner Ruderbank auf und schaute mich gehetzt nach allen Seiten um. Nebel. Und mein schleifendes Ruder, das über die

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