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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Es war etwas Animalisches, jenseits aller Vernunft, das uns mit Haß überflutete.
    Wir peitschten die Rurisk vorwärts, ins seichte Wasser der Bucht. Sobald der Kiel über den Grund scharrte, sprangen wir hinaus und zogen sie ans Ufer hinauf, wie wir es geübt hatten. Der Nebel war ein trügerischer Verbündeter, der uns vor den Angreifern verbarg, so daß wir hoffen konnten, ihnen unbemerkt in den Rücken zu fallen. Doch vor uns verbarg er die Geländeverhältnisse und den genauen Stand der Dinge. Wir griffen nach den Waffen und hasteten dorthin, wo wir die Türme vermuteten. Justin blieb an Bord und starte mit pathetischem Ernst in Richtung Bocksburg, als würde es dadurch leichter, Serene die Nachricht von den Ereignissen zu übermitteln.
    Das Rote Schiff war auf den Strand gezogen, genau wie die Rurisk. Nicht weit davon lagen die zwei Nachen, die als Fähren zum Festland dienten. Beide waren leck geschlagen worden. Einige der Soldaten, alles unsere Landsleute, waren am Ufer gewesen, als der Korsar aus dem Nebel auftauchte. Wie es aussah, war den meisten von ihnen die Flucht nicht gelungen; wir liefen an zusammengekrümmten Körpern vorbei, die ihr Leben in den durstigen Sand verströmt hatten. Unvermittelt ragte grau der Turm der Geweihinsel vor uns auf. An seiner Spitze brannte das Signalfeuer einen verwaschenen gelben Fleck in den Nebel. Hier trafen wir auf die Korsaren. Es waren dunkle, muskulöse Männer, eher drahtig als massiv, bärtig, und das Haar hing ihnen schwarz und wild auf die Schultern. Sie trugen Brünnen aus geflochtenem Leder und an Waffen große Schwerter und Äxte. Manche hatten Helme auf. Ihre bloßen Arme waren mit roten Spiralen bemalt oder tätowiert. Sie schienen nicht an einem leichten Sieg zu zweifeln, lachten und redeten wie Handwerker, die eine Arbeit zu Ende brachten, und schenkten uns keine Beachtung, als wir den Hang hinaufgestürmt kamen. Daß hinter ihnen ein Feind auftauchen könnte, damit rechneten sie nicht.
    Die Besatzung des Turms befand sich in einer aussichtslosen Lage, das Bauwerk hatte man als Basis für ein Signalfeuer errichtet, nicht als Festungsanlage. Es war abzusehen, wann der letzte von ihnen sein Leben aushauchen würde. Ein Torflügel hing schief in den Angeln, die Verteidiger hatten sich hinter einem Wall toter Leiber verschanzt. Als wir uns näherten, sandten sie den Korsaren einen spärlichen Regen aus Pfeilen entgegen. Keiner traf.
    In dem Schrei, den ich ausstieß, mischten sich Todesangst und freudiger Rachedurst. Die Gefühle derer, die links und rechts neben mir liefen, fanden ein Ventil in mir und spornten mich an. Jetzt wurden die Angreifer auf uns aufmerksam und drehten sich um.
    Wir hatten die Korsaren in der Zange. Wir von der Rurisk waren ihnen zahlenmäßig überlegen, und als sie unserer ansichtig wurden, versuchten die Verteidiger des Turms, von meinem Mut erfüllt, einen Ausfall. Nicht den ersten, wie vor dem Tor verstreute Leichen bezeugten. Der junge Wachposten lag immer noch da, wo ich ihn in meiner Vision hatte fallen sehen. Blut war aus seinem Mund gelaufen und in seinem bestickten Hemd versickert. Ein von hinten geworfener Dolch hatte ihn durchbohrt. Seltsam, wie deutlich sich mir dieser Anblick einprägte, in dem kurzen Augenblick, bevor die Wogen des Kampfes über mir zusammenschlugen.
    Es gab keine Strategie, keine Angriffsordnung, keinen Plan. Nur eine Gruppe von Männern und Frauen, denen sich plötzlich die Gelegenheit bot, Vergeltung zu üben. Mehr brauchte es nicht.
    Wenn ich vorher geglaubt hatte, eins mit meinen Gefährten zu sein, ging ich jetzt in ihnen auf. Emotionen umbrandeten mich, drängten mich weiter. Ich werde nie wissen, wie viele oder welche Gefühle meine eigenen waren, sie überwältigten mich, und FitzChivalric ging unter darin. Ich wurde zum Brennpunkt all der Gewalt. Die Axt erhoben, brüllend, lief ich den anderen voraus. Mich hatte es nicht danach gelüstet, die Führung zu übernehmen, es war das starke Verlangen der Mannschaft nach einem, dem sie folgen konnten. Plötzlich wollte ich so viele Korsaren töten, wie ich konnte, und so schnell ich konnte. Ich wollte in jedem Hieb die Kraft meiner Schultern spüren, ich wollte mich durch die Geisterschar entfremdeter Seelen stürzen und auf die Leiber gefallener Korsaren treten. Und ich tat es.
    Ich hatte Sagen von Berserkern gehört. Viehische Totschläger, hatte ich gedacht, von dumpfem Blutdurst beherrscht, unberührt von der Verwüstung, die sie anrichteten.

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