Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
Muster. Wir kamen in einem Sturm der Leidenschaft zusammen, fanden für kurze Zeit Frieden ineinander, und dann fingen wir an, über dieses und jenes zu streiten. Sie war einsam, sie haßte ihre Arbeit, das bißchen Geld, das sie sparen konnte, vermehrte sich entsetzlich langsam und ich fehlte ihr. Warum mußte ich so oft weg sein, wenn doch nur ich ihr das Leben lebenswert machte? Einmal bot ich ihr das Geld an, das ich an Bord des Schiffes verdient hatte, aber sie versteifte sich, als hätte ich sie eine Hure genannt. Nichts wollte sie von mir annehmen, bevor wir vor aller Welt im Bund der Ehe zusammengegeben waren. Aber wann dieser Tag sein würde, da konnte ich ihr keine Hoffnungen machen. Es hatte sich noch Kein geeigneter Augenblick gefunden, um ihr von Listenreichs Plänen für Zelerita und mich zu erzählen. Durch die häufigen Trennungen hatten wir uns auseinandergelebt, und wenn wir dann zusammen waren, Käuten wir stets aufs neue die alten Konflikte wieder.
Eines Abends, als ich zu ihr kam, hatte sie das Haar mit roten Bändern zurückgeflochten, und zierliche Silberohrringe in der Form von Weidenblättern schwangen gegen ihren bloßen Hals. Sie trug nur ihr weißes Nachtgewand, und ihr Anblick raubte mir den Atem. Später, in einem Augenblick der Entspannung, machte ich ihr ein Kompliment über den Schmuck und mußte hören, daß Prinz Edel sie ihr geschenkt hatte, als er das letzte Mal gekommen war, um Kerzen zu erstehen. Ihre wunderbar duftenden Kerzen machten ihm solche Freude, hatte er gesagt, daß er immer glaubte, ihr etwas schuldig zu bleiben, wenn er nur mit Geld für diese kleinen Kunstwerke bezahlte. Sie lächelte stolz, während sie mir das erzählte. Ihre Finger spielten mit meinem Kriegerzopf, während ihr eigenes Haar und die roten Bänder sich auf den Kissen wirrten. Ich weiß nicht, was sie in meinem Gesicht las, aber ihre Augen wurden groß, und sie rückte von mir ab.
»Du nimmst von Edel Geschenke an?« fragte ich kalt. »Wenn ich dir Geld anbiete, das ich ehrlich verdient habe, weigerst du dich, aber du läßt dir Geschenke machen von diesem…«
Ich war nahe daran, Hochverrat zu begehen, doch fand ich keine Worte, um auszudrücken, was ich von ihm dachte.
Mollys Augen wurden schmal, und es war an mir, zurückzuweichen: »Was hätte ich zu ihm sagen sollen? ›Nein, edler Herr, ich kann Eure Großzügigkeit nicht annehmen, bis Ihr geruht, mich zu Eurer Gemahlin zu machen?‹ Zwischen Edel und mir ist nicht das, was zwischen uns ist. Dieser Ohrschmuck war eine Anerkennung von einem Kunden, eine Geste gegenüber einem tüchtigen Handwerker. Was glaubst du, weshalb er ihn mir gegeben hat? Als Bezahlung für meine Gunst?«
Wir starrten uns gegenseitig an, und nach einer Weile brachte ich über die Lippen, was sie beinahe als Entschuldigung anzunehmen bereit war. Dann zerstörte ich den unsicheren Frieden wieder, indem ich sagte, möglicherweise hätte er ihr das Geschenk nur gemacht, weil er wußte, er könnte mich damit treffen. Natürlich fragte sie, woher Edel von uns wissen könnte, und wäre meiner Meinung nach ihre Arbeit so unbedeutend, daß eine Anerkennung wie diese Ohrringe ihr nicht zustand? Was bleibt zu sagen, als daß wir den Bruch kitteten, so gut es gehen wollte. Doch was einmal zerbrochen ist, wird nicht wieder heil, und ich kehrte mit demselben Gefühl von Einsamkeit zum Schiff zurück, als wäre ich gar nicht bei ihr gewesen.
Immer öfter, wenn ich am Ruder saß und mich bemühte, an gar nichts zu denken, ertappte ich mich dabei, daß ich Philia und Lacey vermißte, Chade, Kettricken oder sogar Burrich. Die wenigen Male, die ich während dieses Sommers Gelegenheit gefunden hatte, unsere Königin-zur-Rechten zu besuchen, traf ich sie stets in ihrem Dachgarten an. Dort grünte und blühte es inzwischen, aber trotz ihren Bemühungen, dem alten Zustand möglichst nahezukommen, war es ein Ort mit ganz eigenem Charakter. Sie war zu sehr von ihrer Bergheimat geprägt, um sich je vollständig unserem Wesen anzupassen. Ihre Auswahl der Pflanzen, die Zusammenstellung und Gestaltung war von überlegter Schlichtheit. Steinbrocken unterschiedlicher Größe dienten zur Dekoration wie auch Stücke Treibholz, bizarr geformt, vom Salzwasser gebeizt. Ich hätte dort in Ruhe meditieren können, doch vermutlich war es nicht die lauschige Oase, um sich im warmen Sommerwind zu aalen, an die Veritas sich erinnerte. Obwohl der Garten ihr viel Freude bereitete, hatte er ihr nicht geholfen
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