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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ich hatte es nicht verdient. Als endlich der Ruf kam und Brawndy zum König eilte, hoffte ich, die angespannte Atmosphäre würde sich nun bald in Wohlgefallen auflösen.
    Ich bin sicher, ich war nicht der einzige, der bemerkte, daß Königin Kettricken von der Beratung ausgeschlossen blieb. Auch ich war nicht dabei, weil ich ebenfalls nicht eingeladen war, doch es geschieht nicht oft, daß sich eine Königin dieselbe Mißachtung gefallen lassen muß wie ein illegitimer Neffe. Kettricken bewahrte Haltung und zeigte Brawndys Töchtern und Mussel eine in ihrer Heimat gebräuchliche Technik, Perlen in einer Stickerei einzuarbeiten. Ich lungerte in der Nähe des Tisches herum, doch bezweifelte ich, daß sie mit ihren Gedanken mehr bei der Handarbeit waren als ich.
    Wir brauchten nicht lange zu warten. Nach kaum einer Stunde erschien Brawndy wieder in der großen Halle – mit dem Ungestüm und der Eiseskälte eines Sturmwinds. Zu Fidea sagte er: »Pack unsere Sachen!« Zu Zelerita: »Sag unseren Männern, sie sollen sich abmarschbereit halten.« Dann verbeugte er sich mit steifer Freundlichkeit vor Kettricken. »Hoheit, wir werden Bocksburg verlassen. Da unser König und Lehnsherr uns seine Hilfe versagt, muß Bearns sich selber helfen.«
    »In der Tat habe ich Verständnis für Eure Eile«, erwiderte Kettricken ernst. »Doch ich wünsche trotzdem, daß Ihr mir bei einer weiteren Mahlzeit Gesellschaft leistet. Es ist nicht gut, mit leerem Magen eine Reise anzutreten. Sagt mir, mögt Ihr Gärten?« Ihre Frage richtete sich auch an die Töchter des Herzogs. Sie schauten ihren Vater an. Er zögerte, dann nickte er kurz.
    Beide Töchter gestanden Kettricken schüchtern, daß sie an Gärten große Freude hatten, doch ihre Verwirrung war unübersehbar. Ein Garten? Mitten im Winter, während ein Sturm tobte? Ich teilte ihre Bedenken, und die Ahnung wurde zur Gewißheit, als Kettricken mich zu sich winkte.
    »FitzChivalric, tu bitte, was ich dir auftrage. Rosemarie, geht mit Lord FitzChivalric in die Küche hinunter und bereite nach seinen Anweisungen einen Imbiß vor, den du zum Dachgarten hinaufbringst. Ich werde unsere Gäste dorthin geleiten.«
    Ich schaute Kettricken beschwörend an. Nein. Nicht dort. Die Treppe hinaufzusteigen war für viele schon eine Zumutung, ganz zu schweigen von einer Tasse Tee auf einer sturmumtosten Turmplattform. Ich konnte mir nicht vorstellen, was sie vorhatte. Das Lächeln, mit dem sie meinen besorgten Blick erwiderte, war so offen und heiter wie selten zuvor. Sie griff nach des Herzogs Arm und führte ihn hinaus, während seine Töchter mit den Frauen der Königin ihnen folgten. Ich wandte mich an Rosemarie und gab ihr neue Anweisungen.
    »Geh und hol warme Umhänge und bring sie ihnen. Ich kümmere mich um das Essen.«
    Das Kind hüpfte fröhlich davon, während ich zur Küche eilte, wo ich Sara erzählte, was gebraucht wurde. Sie hatte im Handumdrehen eine Platte mit gewärmten Pastetchen und Glühwein gerichtet. »Nimm vorläufig das mit hinauf, ein Page bringt später mehr.« Ich mußte lächeln, als ich das Tablett nahm und mich auf den Weg zum Dachgarten machte. Mochte die Königin mich Lord FitzChivalric titulieren, Sara, die Köchin, würde nie Bedenken haben, mir ein Tablett in die Hand zu drücken und zu sagen: »Nun lauf, Junge.« Eine beruhigende Gewißheit.
    Nachdem ich die Treppe fast im Sturmschritt bewältigt hatte, blieb ich auf dem oberen Absatz stehen, um Atem zu schöpfen. Dann fühlte ich mich bereit, dem Wetter die Stirn zu bieten, und stieß die Tür auf. Draußen war es genauso ungemütlich, wie ich erwartet hatte. Die Frauen der Königin und Brawndys Tochter mit Mussel drängten sich in den kümmerlichen Schutz, den zwei Schirmwände und eine darübergespannte Leinwand boten – im vergangenen Sommer als schattiges Plätzchen aufgebaut. Wenigstens wurde der Wind abgehalten und auch der Regen zum größten Teil. Ein kleiner Tisch stand in diesem armseligen Unterschlupf, und darauf setzte ich mein Tablett ab. Rosemarie, warm eingepackt, stibitzte mit selbstgefälligem Lächeln eine der warmen Pastetchen, bevor Lady Modeste, die sich daran machte, die Speisen auf kleine Teller zu verteilen, ihr auf die Finger klopfen konnte.
    So schnell ich konnte, füllte ich Becher mit Glühwein für die Königin und Herzog Brawndy und benutzte diese als Vorwand, um mich zu ihnen zu gesellen. Sie standen dicht an der Brüstung und schauten über die Zinnen auf die offene See hinaus. Der

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