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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Sturm peitschte die Wogen zu weißer Gischt und machte mit perfider Freude die Versuche der Möwen zunichte, selbst zu fliegen. Als ich mich den beiden näherte, konnte ich sehen, daß sie miteinander sprachen, aber das Tosen des Windes hinderte mich daran, etwas zu verstehen. Zu spät wünschte ich mir, daran gedacht zu haben, auch für mich einen Umhang zu besorgen. Ich war nach wenigen Schritten durch und durch naß, und die eisigen Böen rissen mir das bißchen Wärme von der Haut, das mein Körper durch Zittern produzierte. Mit einem zähneklappernden Lächeln reichte ich ihnen den Wein.
    »Lord FitzChivalric ist Euch bekannt?« fragte die Königin Brawndy, während sie ihren Becher nahm.
    »In der Tat hatte ich das Vergnügen, ihn an meiner eigenen Tafel zu bewirten«, antwortete er. Regen tropfte aus seinen buschigen Augenbrauen, und sein Kriegerzopf schlug im Wind hin und her.
    »Dann hättet Ihr keine Einwände, wenn ich ihn in unser Gespräch einschließe?« Die Königin sprach mit einer Gelassenheit, als stünden wir behaglich im wärmsten Sommersonnenschein. Ob sie wußte, daß der Herzog ihre Frage als verdeckten Befehl begreifen würde?
    »Er soll mir willkommen sein, wenn Ihr glaubt, daß er uns mit einem Rat dienen kann, Hoheit.« Brawndy neigte den Kopf.
    »Ich hatte gehofft, Ihr würdet einverstanden sein. FitzChivalric, hol dir einen Becher Wein und komm wieder her.«
    »Wie Ihr wünscht, Hoheit.« Ich kam der Aufforderung so schnell wie möglich nach. Meine Verbindung mit Veritas war jeden Tag schwächer geworden, je weiter er sich entfernte, doch in diesem Moment spürte ich seine drängende Ungeduld, die mich zur Eile trieb.
    »Was geschehen ist, läßt sich nicht ungeschehen machen«, sagte die Königin, als ich zu ihnen zurückkehrte. »Es bekümmert mich, daß wir nicht imstande waren, die Unseren zu beschützen. Doch wenn ich nicht ungeschehen machen kann, was die Roten Korsaren getan haben, kann ich vielleicht wenigstens helfen, noch größeres Elend abzuwenden. Ich bitte Euch, bringt das Eurem Volk, aus der Hand und dem Herzen ihrer Königin.«
    Mir fiel auf, daß sie mit keinem Wort König Listenreichs Weigerung zu handeln erwähnte. Ich schaute zu, wie sie mit einer anmutigen und doch bestimmten Bewegung den regenschweren Ärmel ihres weißen Überkleides zurückschlug und die goldenen Armreifen zeigte, in Abständen besetzt mit den schwarzen Opalen ihrer Bergheimat. Ich hatte das dunkle Feuer von Bergopalen schon einmal bewundert, aber noch niemals Steine von dieser Größe gesehen. Mit einem Kopfnicken forderte sie mich auf, den Verschluß zu öffnen, und ohne das geringste Besinnen zog sie die Kostbarkeit von ihrem Handgelenk. Aus dem anderen Ärmel brachte sie einen kleinen Samtbeutel zum Vorschein. Ich hielt ihn auf, und sie ließ die Armbänder hineingleiten, dann drückte sie ihn Herzog Brawndy mit einem warmen Lächeln in die Hand. »Von Eurem König-zur-Rechten Veritas und mir«, sagte sie einfach. Kaum vermochte ich Veritas’ Impuls zu widerstehen, mich dieser Frau zu Füßen zu werfen und ihr zu beteuern, sie sei viel zu erhaben für seine unbedeutende Liebe. Brawndy stammelte fassungslosen Dank und schwor, jeden Heller des Erlöses für den Wiederaufbau von Holüber zu verwenden. In festen Häusern geborgen, würden die Menschen dort ihre Königin segnen, die sie vor Hunger und Kälte bewahrt hatte.
    Plötzlich wurde mir bewußt, mit welch klugem Vorbedacht Kettricken gehandelt hatte. Die Wahl des Ortes und die Art, wie sie ihm das Geschenk überreichte, gaben Herzog Brawndy zu verstehen, daß sie aus eigenem Ermessen handelte, unabhängig von den Entscheidungen des Königs oder Edel. Sie bat ihn nicht, darüber zu schweigen, es war unnötig.
    Ich dachte an die Smaragde, verborgen in einer Ecke meiner Kleidertruhe, doch Veritas in mir schwieg, deshalb fand ich, sie sollten ruhig bleiben, wo sie waren. Vielleicht kam doch der Tag, an dem Veritas sie seiner Gemahlin um den Hals legte. Davon abgesehen, wollte ich die Bedeutung ihres Geschenks nicht dadurch mindern, daß ich ihm ein weiteres von einem Bastard hinzufügte. Denn als solches hätte ich es ihm überreichen müssen. Nein, beschloß ich. Sollten die Gabe der Königin und das dramatische Szenario sich als einzigartig in seine Erinnerung einprägen.
    Brawndy wandte seine Aufmerksamkeit mir zu. »Hoheit, Ihr scheint diesem jungen Mann großes Vertrauen entgegenzubringen, daß Ihr ihn bei unserem Gespräch zugegen sein

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