Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
meine Stirn die Knie berührte, während die Welt sich um mich im Kreis drehte. Neben mir konnte ich König Listenreich nach Atem ringen hören, als wäre er weit und schnell gelaufen. Der Narr drückte mir ein Glas Wein in die Hand, dann bemühte er sich weiter, dem König kleine Schlucke einzuflößen. Zu allem Überfluß ertönte plötzlich Stimme: »Was ist mit dem König?«
»Es geht ihnen beiden schlecht!« Angst verlieh der Stimme des Narren einen schneidenden Klang. »Sie haben sich ganz ruhig unterhalten, und dann plötzlich das! Nimm die verdammten Räuchergefäße weg! Ich fürchte, das hat sie beide umgebracht!«
»Schweig, übler Schelm! Verleumde nicht meine ärztliche Kunst!« Aber ich hörte die besorgte Eile in Wallaces Schritten, als er durchs Zimmer ging, die brennenden Dochte in jedem Gefäß ausdrückte oder Messinghauben darüberstülpte. Gleich darauf wurden die Fenster aufgerissen. Die frostklare Nachtluft belebte mich. Ich fand die Kraft, mich aufzurichten und einen Schluck Wein zu trinken. Nach und nach kehrte ich in die Wirklichkeit zurück, aber trotzdem hatte ich mich noch nicht zu einer Bewegung aufraffen können, als Edel hereingestürmt kam und wissen wollte, was passiert war. Er richtete die Frage an mich, weil der Narr Wallace half, den König zu Bett zu bringen.
Ich schüttelte nur stumm den Kopf, und meine Benommenheit war keineswegs gespielt.
Ungeduldig wandte er sich ab. »Wie geht es dem König? Wird er sich erholen?« rief er Wallace zu.
Wallace kam sofort herbeigeeilt, um seinem Herrn und Meister Bericht zu erstatten. »Er scheint kräftiger zu werden, mein Prinz. Ich weiß nicht, was ihn überkommen hat. Er saß ganz ruhig in seinem Sessel, und doch ist er so erschöpft, als hätte er eine große körperliche Anstrengung hinter sich. Derartige Aufregungen sind seiner Gesundheit abträglich, Hoheit.«
Edel musterte mich argwöhnisch. »Was hast du meinem Vater angetan?« grollte er.
»Ich? Nichts.« Das wenigstens entsprach der Wahrheit. Was immer sich ereignet hatte, die Handelnden waren der König und Veritas gewesen. »Wir haben uns unterhalten. Plötzlich wurde mir schwindelig wie vor einer Ohnmacht.« Ich schaute Wallace an. »Könnte es das Glimmkraut gewesen sein?«
»Vielleicht«, gab er unglücklich zu und duckte sich unter Edels finsterer werdendem Blick. »Nun, es kommt mir vor, als müßte ich jeden Tag mehr nehmen, damit es überhaupt noch wirkt, und trotzdem klagt er, daß…«
»SCHWEIG!« fuhr Edel ihn an. Er zeigte auf mich wie auf ein Stück Unrat. »Schaff ihn hinaus. Dann komm wieder zurück und kümmere dich um den König.«
In diesem Moment stöhnte Listenreich im Schlaf, und ich spürte wieder die federleichte Berührung seiner Gabe.
»Nein. Wallace, du siehst nach dem König. Narr, du sorgst dafür, daß der Bastard verschwindet. Und daß es kein Gerede unter der Dienerschaft gibt. Beeil dich. Meinem Vater geht es nicht gut.«
Ich hatte geglaubt, ich könnte mich aus eigener Kraft erheben und gehen, stellte jedoch fest, daß ich mir von dem Narren helfen lassen mußte. Als ich auf den Füßen stand, setzte ich ungelenk Schritt vor Schritt, als ginge ich auf Stelzen. Die Wände waren einmal nah, dann wieder fern, und der Boden schwankte sacht wie das Deck eines Schiffes bei sanfter Dünung.
»Von hier aus kann ich allein weitergehen«, sagte ich zu dem Narren, als wir auf dem Flur standen. Er schüttelte den Kopf.
»Du bist zu angreifbar, als daß man dich dir selbst überlassen dürfte«, antwortete er halblaut, hängte sich bei mir ein und begann mit einem weitschweifigen, launigen Diskurs über alles mögliche und nichts im besonderen. Mit glaubwürdig gespielter Kameradschaftlichkeit half er mir die Treppen hinauf und zu einer Tür, wo er unaufhörlich schwatzend wartete, bis ich geöffnet hatte, um mir dann ins Zimmer zu folgen. »Danke, ich brauche jetzt keine Hilfe mehr«, meinte ich verärgert. Ich hatte keinen anderen Wunsch, als mich hinzulegen.
»Wirklich? Und mein König? Was hast du ihm angetan?«
»Gar nichts!« stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. In meinem Kopf begann es zu hämmern. Elfenrinde. Ich brauchte Elfenrinde und hatte natürlich keine.
»Doch! Du hast ihn um Erlaubnis gebeten und dann seine Hand genommen. Und im nächsten Augenblick habt ihr beide nach Luft geschnappt wie Fische auf dem Trockenen.«
»Nur einen Augenblick später?« Mir war es vorgekommen wie Stunden.
»Nicht mehr als drei
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