Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
Herzschläge.«
»Oh.« Ich legte die Hand an die Schläfen und bemühte mich zu verhindern, daß mein Schädel in Stücke sprang. Warum war ausgerechnet jetzt Burrich nicht da? Er hatte, was ich brauchte. Die Schmerzen ließen mir keine anderen Wahl. »Hast du Elfenrinde? Für Tee?«
»Greifbar? Nein. Aber ich könnte gehen und Lacey darum bitten. Sie hortet Kräuter von allen Sorten.«
»Würdest du das tun?«
»Was hast du dem König angetan?« Ein Tauschhandel also.
Der Druck in meinem Kopf wuchs, es war, als würden mir die Augen aus den Höhlen gepreßt. »Nichts«, ächzte ich, »und was er mir angetan hat, kann nur er dir erklären. Wenn er es für richtig hält. Ist das deutlich genug für dich?«
Schweigen. »Vielleicht. Hast du wirklich so große Schmerzen?«
Ich ließ mich ganz langsam auf das Bett zurücksinken. Selbst meinen Kopf hinzulegen tat weh.
»Ich bin gleich wieder da«, sagte er. Ich hörte die Tür zufallen. Mit geschlossenen Augen lag ich still, während mein Verstand mühsam verarbeitete, was ich belauscht hatte. Trotz der pochenden Schmerzen versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen. Edel hatte Spione. Behauptete er. Brawndy war ein Verräter. Behauptete Edel. Seine mutmaßlichen Spione hätten es ihm berichtet. Meiner Ansicht nach war Brawndy so sehr ein Verräter wie Kettricken. Oh, das schleichende Gift in meinen Adern. Und der Schmerz. Plötzlich erinnerte ich mich an den Schmerz. Hatte Chade mich nicht aufgefordert, einfach zu beobachten, und ich würde die Antwort auf meine Frage erhalten? Die ganze Zeit hatte ich es unübersehbar vor Augen gehabt, wäre mir nicht der Blick so verstellt gewesen von meiner Angst vor Verschwörern und Intrigen und Gift.
Eine Krankheit verzehrte König Listenreich, höhlte ihn aus. Er betäubte den Schmerz mit Drogen – ein Versuch, einen kleinen Teil seines Bewußtseins für sich zu behalten, einen Ort, wohin ihm der Schmerz nicht folgen konnte, um ihn zu versklaven. Hätte mir das jemand vor ein paar Stunden gesagt, ich hätte es als dummes Gerede abgetan. Jetzt, während ich auf meinem Bett lag und mir Mühe gab, ganz flach zu atmen, weil die geringste Bewegung eine neue Welle der Agonie auslöste, konnte ich es verstehen. Schmerz. Meine Qual dauerte erst ein paar Minuten, und schon hatte ich den Narren um Elfenrinde geschickt. Außerdem konnte ich damit rechnen, daß dieser Schmerz vorüberging, daß ich morgen früh aufwachen würde, als wäre nichts gewesen. Wenn ich ihn nun aber für den Rest meines Lebens ertragen müßte, mit der Gewißheit, keinen Augenblick mehr frei davon zu sein, die wenige Zeit, die mir noch vergönnt war, auf der Folter verbringen zu müssen? Kein Wunder, daß Listenreich sich mit Drogen betäubte.
Die Tür öffnete und schloß sich leise. Als ich nicht hörte, daß der Narr sich anschickte, Tee aufzugießen, überwand ich mich, die Lider zu heben. Justin und Serene waren hereingekommen und standen da, erstarrt wie in der Höhle eines wilden Tieres. Als ich den Kopf ein wenig drehte, um sie anzuschauen, zog Serene tatsächlich die Oberlippe von den Zähnen, als ob sie mich anfletschen wollte. Nachtauge in mir knurrte. Mein Herz schlug plötzlich schneller. Gefahr. Ich versuchte, meine Muskeln zu entspannen, um, sollte es nötig sein, schnell handeln zu können, aber das Hämmern in meinem Kopf warnte mich, lieber stillzuliegen. »Ich habe euch nicht anklopfen hören«, brachte ich heraus.
»Ich habe nicht geklopft«, antworte Serene hochmütig. Jedes einzelne Wort traf mich wie ein Keulenschlag. Ich betete, daß sie nicht ahnte, wie hilflos ich ihr ausgeliefert war. Ich betete, der Narr möge zurückkommen. Gleichzeitig bemühte ich mich, ganz nonchalant zu wirken, als bliebe ich nur auf dem Bett liegen, weil es mir der Mühe nicht wert erschiene, mich ihretwegen zu erheben.
»Wollt ihr etwas von mir?« Es klang kurz angebunden, in Wirklichkeit war Sprechen eine zu große Anstrengung, um mehr zu sagen als unbedingt nötig.
»Wollen? Von dir? Niemals«, höhnte Serene.
Die Gabe berührte mich. Plump. Justin, der Einlaß suchte. Ich konnte ein Schaudern nicht unterdrücken. Zwischen dem König und Veritas aufgerieben, fühlte mein Bewußtsein sich an wie rohes Fleisch. Bei Justins unbeholfenem Denken war mir zumute, als wühlten Katzenkrallen in meinem Gehirn.
Abschirmen. Veritas war nur ein Flüstern. Ich machte den Versuch, meine Mauern aufzurichten, konnte aber nicht genug von meiner Substanz finden, um mich
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