Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Verräters sei, würde selbst zum Verräter.« Ihre Stimme klang tonlos. »Dann haben sie mich angespuckt. Und liegengelassen. Ich hörte sie wegreiten, aber noch lange Zeit wagte ich nicht aufzustehen. Ich habe noch niemals solche Angst gehabt.« Sie hob den Blick zu meinem Gesicht, und ihre Augen glichen offenen Wunden. »Nicht einmal vor meinem Vater.«
    Ich drückte sie an mich. »Es ist alles meine Schuld.« Erst als sie den Oberkörper zurückbog und mich verwirrt anschaute, merkte ich, daß ich laut gesprochen hatte.
    »Deine Schuld? Hast du etwas Unrechtes getan?«
    »Nein. Ich bin kein Verräter. Aber ich bin ein Bastard. Und ich habe zugelassen, daß dieser Makel auf dich abfärbt. Alles, wovor Philia mich gewarnt hat, wovor Ch... – alle mich gewarnt haben, bewahrheitet sich. Und dich habe ich mit in den Sumpf gezogen.«
    »Was geht hier vor?« fragte sie leise, dann wurden ihre Augen plötzlich groß. »Du hast gesagt, die Wache läßt dich nicht aus dem Tor. Daß du Bocksburg nicht verlassen darfst. Warum nicht?«
    »Das weiß ich selber nicht ganz genau. Es gibt vieles, das ich nicht durchschaue. Doch eins weiß ich, ich habe die Pflicht, für deine Sicherheit zu sorgen, und das bedeutet, daß ich mich von dir fernhalten muß, wenigstens eine Zeitlang. Und du dich von mir. Verstehst du?«
    Ein ärgerliches Funkeln trat in ihre Augen. »Ich verstehe, daß du untätig bleiben willst.«
    »Nein. Du irrst dich. Wir müssen sie glauben machen, daß es ihnen gelungen ist, dir Angst einzujagen, daß du ihnen gehorchst. Dann bist du sicher. Sie hätten keinen Grund, dich noch einmal zu quälen.«
    »Sie haben mir Angst eingejagt, du Idiot«, zischte sie mich an. »Eins habe ich gelernt. Sobald jemand weiß, daß du Angst vor ihm hast, wird er dich nie wieder in Ruhe lassen. Wenn ich ihnen jetzt gehorche, werden sie wiederkommen. Um zu sehen, wie weit sie mich treiben können, was ich aus Angst noch bereit bin, für sie zu tun.«
    Das waren die Narben, die ihr Vater an ihrem Wesen hinterlassen hatte. Narben, die eine Stärke waren, aber auch eine Schwäche. »Jetzt ist nicht die geeignete Zeit, sich ihnen zu widersetzen«, flüsterte ich und blickte über ihre Schulter, falls einer der Torwächter auftauchte, um nachzusehen, wohin wir verschwunden waren. »Komm mit«, sagte ich und führte sie tiefer in das Labyrinth der Nebengebäude und Schuppen. Sie ging ein Stück schweigend mit, dann riß sie ihre Hand aus der meinen.
    »Es ist die geeignete Zeit, sich ihnen zu widersetzen«, erklärte sie. »Wenn man erst einmal angefangen hat, es vor sich herzuschieben, dann tut man es nie mehr. Weshalb also nicht gleich?«
    »Weil ich nicht will, daß du in die Sache verwickelt wirst. Ich will nicht, daß man dich verletzt. Ich will nicht, daß die Leute sagen, du wärst des Bastards Hure.« Ich brachte das Wort kaum über die Lippen.
    Molly hob stolz den Kopf. »Ich habe nichts getan, dessen ich mich schämen müßte«, sagte sie beherrscht. »Und du?«
    »Nein. Aber…«
    »›Aber‹. Dein Lieblingswort«, meinte sie bitter, wandte sich ab und ging.
    »Molly!« Ich sprang ihr nach und griff nach ihrer Schulter. Sie fuhr herum und schlug mich. Nicht auf die Wange, es war ein satter Fausthieb auf den Mund, so daß ich einen Schritt zurücktaumelte und Blut schmeckte. Sie funkelte mich an und wartete darauf, daß ich noch einmal wagte, sie zu berühren. Ich ließ es bleiben. »Es ist doch nicht so, daß ich das wehrlos hinnehme. Nur will ich nicht, daß du mit hineingezogen wirst. Gib mir eine Chance, diesen Kampf auf meine eigene Art zu führen.« Blut lief mir über das Kinn. Ich wischte es nicht ab, damit sie Gelegenheit hatte, es sich anzusehen. »Wenn ich Zeit habe, kann ich die Halunken und den, der sie geschickt hat, finden und zur Rechenschaft ziehen. Auf meine Art. Gut. Nun erzähl mir von den Männern. Wie waren sie gekleidet, wie sind sie geritten? Wie haben ihre Pferde ausgesehen? Haben sie gesprochen wie in unserer Gegend oder mit einem Akzent der Inlandprovinzen? Hatten sie Bärte? Wie war die Farbe von Haaren, Augen?«
    Ich sah ihr an, wie sie versuchte, sich die Einzelheiten des schrecklichen Erlebnisses ins Gedächtnis zu rufen und wie ihr Inneres davor zurückschreckte. »Braun«, sagte sie schließlich. »Braune Pferde, Schweif und Mähne schwarz. Und die Männer haben gesprochen wie wir. Einer hatte einen dunklen Bart. Glaube ich. Es ist schwer, etwas zu sehen, wenn man mit dem Gesicht im Dreck

Weitere Kostenlose Bücher