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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Gerede über Raufereien in den Wirtshäusern und im Hafen von Burgstadt und Berichte über Familien, die nach Süden oder landeinwärts abwanderten, wie ihre Mittel es erlaubten. Wenn von Veritas und seiner Queste die Rede war, äußerte man sich über beides mit Hohn und Spott. Man hatte aufgehört zu hoffen. Wie ich warteten die Einwohner von Burgstadt mit grimmigem Fatalismus darauf, daß das Verhängnis über sie hereinbrach.
    Ein Monat mit stürmischem Wetter sorgte für gehobene Stimmung, aber das Aufatmen und die übermütige Freude in Burgstadt hatten verheerendere Auswirkungen als die vorhergegangene Zeit der bangen Erwartung. Während eines besonders ausschweifenden Gelages geriet eine der Spelunken am Hafen in Brand. Das Feuer breitete sich aus, und nur der sturzbachartige Regen im Gefolge der Sturmböen hinderte die Flammen daran, auf die Vorratsspeicher überzugreifen. Das wäre in mehr als einer Hinsicht eine Katastrophe gewesen, denn angesichts der sich rapide leerenden Scheunen und Lager oben in der Burg sahen die Bürger der Stadt keinen Grund, sparsam mit dem umzugehen, was noch übrig war. Selbst wenn Bocksburg von den Piraten verschont blieb, sah ich voraus, daß wir für den Rest des Winters den Gürtel würden enger schnallen müssen.
    Eines Nachts erwachte ich, weil es so still war. Das Heulen des Sturms und das Prasseln des Regens waren verstummt. Mir wurde beklommen zumute. Eine schreckliche Vorahnung erfüllte mich, und als ich morgens aus dem Fenster den klaren Himmel sah, wurde meine Angst noch größer. Wie dem sonnigen Tag zum Hohn, war die Stimmung in der Burg gedrückt und bedrückend. Etliche Male fühlte ich eine schmetterlingsleichte Berührung der Gabe. Es trieb mich zum Wahnsinn, denn ich wußte nicht, war es Veritas, der sich in mir regte, oder versuchten Serene und Justin, mich zu bespitzeln. Ein Besuch bei König Listenreich und dem Narren am späten Nachmittag entmutigte mich vollends. Der König, fast bis auf die Knochen abgemagert, saß in seinem Bett und lächelte verschwommen. Als ich hereinkam, lachte er kraftlos zu mir hin und begrüßte mich mit: »Ah, Veritas, mein Junge. Wie ist heute deine Fechtstunde verlaufen?« Der Rest der Unterhaltung bewegte sich in ähnlichen Bahnen. Edel erschien kurz nach mir. Er saß auf einem betont unbequemen Stuhl mit strenger hoher Lehne, die Arme vor der Brust verschränkt, und wandte den Blick nicht von mir ab. Zwischen uns wurde nicht ein einziges Wort gewechselt. Ich wußte nicht, war mein Schweigen Feigheit oder löbliche Selbstbeherrschung. Wie auch immer, sobald es sich mit Anstand bewerkstelligen ließ, ergriff ich die Flucht, auch wenn ich dafür mit einem vorwurfsvollen Blick des Narren gestraft wurde.
    Der Narr selbst sah kaum besser aus als der König. In einem farblosen Gesicht wie dem seinen wirkten die dunklen Ringe unter den Augen wie aufgemalt. Sein Mundwerk war so still geworden wie die Schellen an seiner Kappe. Wenn König Listenreich starb, stand niemand mehr zwischen dem Narren und Edel. Ich fragte mich, ob es eine Möglichkeit gab, ihm zu helfen.
    Ha! Als ob ich mir selber helfen könnte.
    In der Einsamkeit meines Zimmers sprach ich an diesem Abend dem billigen Branntwein zu, den Burrich so verabscheute. Ich wußte, am nächsten Morgen würde ich mit einem scheußlichen Kater aufwachen, aber es war mir einerlei. Dann lag ich in meinem Bett und lauschte dem Lärmen der Feiernden in der Großen Halle. Wenn doch Molly hier wäre, um mich zu schelten, weil ich getrunken hatte. Das Bett war zu groß, die Laken gletscherweiß und kalt. Ich schloß die Augen und suchte Trost bei meinem Wolf. Eingesperrt in der Burg, hatte ich mir angewöhnt, nachts im Traum seine Gesellschaft zu suchen – wenigstens eine Illusion von Freiheit.
    Ich erwachte einen Sekundenbruchteil, bevor Chade mich packte und schüttelte. Ein Glück, daß ich ihn erkannte, sonst wäre ich ihm an die Kehle gegangen. »Auf!« zischte er drängend. »Hoch mit dir, du betrunkener Nichtsnutz, du Idiot! Guthaven wird belagert. Fünf Rote Schiffe. Sie werden keinen Stein auf dem anderen lassen, wenn wir säumen. Steh auf, verdammt!«
    Ich war mit einem Satz aus dem Bett. Der Branntweinnebel verflog unter dem Schock dieser Neuigkeit.
    »Was sollen wir tun?« fragte ich einfältig.
    »Es dem König sagen. Es Kettricken sagen und Edel. Nicht einmal Edel kann jetzt noch den Ernst der Lage verkennen, der Feind steht schon so gut wie auf unserer Türschwelle. Wenn

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