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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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zustimmend den Kopf und war entlassen. Als nächstes kehrte ich in mein Zimmer zurück, in der Absicht, Ordnung zu machen und alles wegzuräumen, was noch vom Nachmittag herumlag und -stand. Doch als ich in den Gang einbog, bemerkte ich überrascht, wie die Tür zu meinem Zimmer sich langsam öffnete. Schnell drückte ich mich in eine andere Türnische und sah einen Moment später Justin und Serene aus meinem Zimmer herauskommen. Ich trat ihnen in den Weg.
    »Immer noch auf der Suche nach einem geeigneten Ort für euer Stelldichein?« fragte ich schneidend.
    Beide erstarrten. Justin wich zurück, als wollte er sich hinter Serene verstecken. Sie warf ihm einen strafenden Blick zu, dann schaute sie mich hochmütig an. »Wir haben es nicht nötig, uns vor dir zu rechtfertigen.«
    »Nein? Obwohl ihr in mein Zimmer eingedrungen seid? Habt ihr etwas Interessantes gefunden?«
    Justin atmete schnaufend. Ich sah ihm in die Augen und lächelte. Er machte den Mund auf und zu wie ein Fisch, brachte aber keinen Ton heraus.
    »Wir haben es nicht einmal nötig, mit dir zu sprechen«, erklärte Serene. »Wir wissen, was du bist. Komm, Justin.«
    »Ihr wißt, was ich bin? Das trifft sich, denn ich weiß auch, was ihr seid. Und ich bin nicht der einzige.«
    »Tiermensch!« zischte Justin. »Du suhlst dich in dem Pfuhl der unreinen Zauberei. Hast du geglaubt, unentdeckt zwischen uns einhergehen zu können? Kein Wunder, daß Galen dich der Gabe für unwert hielt.«
    Sein Pfeil hatte getroffen und stak zitternd im Mittelpunkt meiner geheimsten Angst. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. »Ich bin ein treuer Vasall König Listenreichs.« Mehr sagte ich nicht. Nicht in Worten. Doch ich musterte sie beide von oben bis unten, maß sie an dem, was sie sein sollten, und fand sie mangelhaft. Wie sie mit den Füßen scharrten, die verstohlenen Blicke, die sie sich zuwarfen – alles sagte mir, daß sie Verräter waren. Sie brachten Edel die Meldungen, die sie erhielten, und wußten, es wäre ihre Pflicht gewesen, dem König zu berichten. Sie waren keine willenlosen Marionetten, sie waren sich bewußt, was sie taten und was es bedeutete. Vielleicht hatte Galen ihnen die Ergebenheit für Edel ins Gehirn gebrannt, vielleicht waren sie nicht fähig, sich gegen ihn zu wenden, aber tief innen wußten sie, daß sie ihren rechtmäßigen König verrieten und ihren Treueeid. Ich verstaute diese Erkenntnis in einem Winkel meines Gedächtnisses; es war ein Riß, in den sich möglicherweise eines Tag ein Keil treiben ließ.
    Ich trat einen Schritt auf sie zu und hatte das Vergnügen, Serene zurückweichen zu sehen, während Justin sich zwischen ihr und der Wand zusammenduckte. Leider war es nur eine leere Drohung gewesen, der ich keine Tat folgen lassen konnte. Ich kehrte ihnen den Rücken zu und öffnete meine Tür. Sieh da, ganz verstohlen fühlte ich einen Nebelfinger der Gabe an den Rändern meines Bewußtseins entlangtasten. Instinktiv schirmte ich mich ab, wie Veritas es mich gelehrt hatte. »Behaltet eure Gedanken für euch selbst«, warnte ich und schloß, ohne mich nach ihnen umzusehen, die Tür. Ein Blick wäre für sie zuviel der Ehre gewesen.
    Einen Moment verharrte ich regungslos und bemühte mich, tief und regelmäßig zu atmen. Die Schutzwehren um mein Bewußtsein ließ ich noch bestehen. Dann verriegelte ich die Tür sorgfältig und unternahm einen prüfenden Rundgang durch mein Zimmer. Chade hatte mir einmal gesagt, ein Assassine wäre gut beraten, seinen Kontrahenten für klüger zu halten als sich selbst. Nur so bliebe man am Leben. Eingedenk seines Rats, vermied ich es, etwas zu berühren, für den Fall, daß es mit Gift behandelt war. Vielmehr stellte ich mich in die Mitte des Raums und schloß die Augen, um mir genau zu vergegenwärtigen, wie alles ausgesehen hatte, bevor ich hinausgegangen war. Dann machte ich die Augen wieder auf und hielt nach Abweichungen Ausschau.
    Die kleine Kräuterschale mitten auf der Truhe – ich hatte sie ans hintere Ende gestellt, wo Burrich sie bequem erreichen konnte. Also hatten sie die Truhe durchsucht. Der Gobelin von König Weise, der seit Monaten leicht schief an der Wand hing, war geradegerückt worden. Weiter konnte ich nichts entdecken. Eigenartig. Ich konnte mir nicht vorstellen, wonach sie gesucht haben mochten. Daß sie in meiner Kleidertruhe nachgesehen hatten, legte die Vermutung nahe, daß es sich um einen Gegenstand handelte, der klein genug war, um dort versteckt zu sein. Aber

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