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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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alten Mann nicht in Frieden sterben lassen?«
    »Edel wird nicht erlauben, daß dieser Erbe zur Welt kommt«, sagte ich schroff. Selbst der Narr stutzte, als er mich so offen sprechen hörte. »Dieses Kind wird nie an die Macht gelangen, wenn nicht die Hand eines Königs es beschirmt. Listenreichs oder Veritas’. Du glaubst nicht daran, daß Veritas tot ist, du hast es so gut wie ausgesprochen. Kannst du zusehen, wie Kettricken sich grämt? Kannst du zusehen, wie die Sechs Provinzen blutig untergehen? Was nützt dem Thron der Weitseher ein Erbe, wenn er nur noch ein zerbrochener Stuhl in einer ausgebrannten Halle ist?«
    Die Schultern des Narren sanken herab. »Es gibt tausend Scheidewege«, wisperte er. »Manche sind klar und deutlich zu erkennen, andere Schatten innerhalb von Schatten. Manche sind fast Gewißheit, nur eine gewaltige Armee oder verheerende Seuche könnte ihnen eine andere Richtung geben. Andere sind in Nebel gehüllt, und ich weiß nicht, welche Pfade hinausführen oder wohin. Du bist der Nebel vor meinen Augen, Bastard. Du vervielfältigst die Zukunft tausendfach, allein durch deine Existenz. Von einigen dieser Nebel gehen die schwärzesten, verschlungenen Fäden der Verdammnis aus, von anderen schimmernde Bänder aus Gold. Zu den Höhen oder Tiefen, scheint es, führen deine Wege. Ich sehne mich nach dem mittleren Weg. Ich sehne mich nach einem leichten Tod für einen Herrn, der gut gewesen ist zu seinem närrischen Narren.«
    Ein subtiler Vorwurf, den er mir zurückließ, während er die Riegel zurückschob und leise den Raum verließ. In den reichen Kleidern und mit seinem bedächtigen Gang erschien er mir grotesker als in seinem Narrengewand. Ich schloß die Tür hinter ihm und lehnte mich dagegen, als könnte ich die Zukunft aussperren.
    Für das Festmahl an diesem Abend kleidete ich mich mit besonderer Sorgfalt an. Als ich endlich in Mistress Hurtigs neuestem Anzug steckte, sah ich fast so schmuck aus wie der Narr. Ich hatte beschlossen, vorläufig noch nicht um Veritas zu trauern und mir auch nicht den Anschein zu geben. Auf dem Weg die Treppe hinunter kam es mir vor, als strömte die gesamte Burg an diesem Abend in der großen Halle zusammen, Offenbar war alles geladen worden, edel und gering. Ich saß an einem Tisch mit Burrich und Flink und Knechten aus dem Stall – der schlechteste Platz, seit König Listenreich mich unter seine Fittiche genommen hatte, aber ich beschwerte mich nicht, die Gesellschaft war mir tausendmal lieber als der Klüngel an den oberen Tischen, wo Gäste saßen, die ich nur flüchtig oder überhaupt nicht kannte, die Herzöge und zu Besuch angereister Adel aus Tilth und Farrow. Es gab natürlich auch bekannte Gesichter. Philia hatte einen annähernd ihrem Rang angemessenen Platz, und Lacey saß, war es zu glauben, an einem Tisch oberhalb von mir. Auch Bürger aus Burgstadt waren anwesend, zumeist wohlhabende Kaufleute, und besser plaziert, als ich gedacht hätte. Der König wurde hereingeführt, gestützt auf den Narren in seinem neuen Feststaat, gefolgt von Kettricken.
    Ihr Aussehen erschreckte mich. Sie trug ein schmuckloses braunes Gewand und hatte sich zum Zeichen der Trauer das Haar abgeschnitten. Es war kaum noch handspannenlang und der reichen Last beraubt, bot es den Anblick eines samentragenden Löwenzahns. Mit der Länge schien es auch die Farbe verloren zu haben, es war fahl wie das des Narren. So sehr war ich daran gewöhnt, sie mit den schweren goldenen Flechten zu sehen, daß mir ihr Kopf jetzt eigenartig klein auf den breiten Schultern vorkam. Die blauen Augen wirkten fremd zwischen den vom Weinen geröteten Lidern. Sie sah nicht aus wie eine Königin, die ihren Gemahl betrauert, sondern bizarr, ein neuer Schalksnarr am Königshof. Nichts erinnerte an meine Königin, an Kettricken in ihrem Garten, nichts an die barfüßige Kriegerin, die mit ihrer Klinge tanzte; da war nur eine Frau aus einem fremden Land, fern ihrer Heimat und allein. Im Gegensatz dazu war Edel so kostbar gekleidet, als ginge er auf Brautschau, und er bewegte sich mit der trägen Selbstsicherheit einer Raubkatze.
    Was ich an jenem Abend erlebte, war ein geschickt aufgebautes und in Szene gesetztes Theaterstück. Da war der alte König Listenreich, gebrechlich und dünn, er nickte über dem Teller ein oder unterhielt sich geistesabwesend und lächelnd ins Leere hinein. Da war die Königin-zur-Rechten mit ihrer versteinerten Miene, sie aß nichts, war in ihre Trauer versunken.

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