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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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mehr lange, wenn du dich so verausgabst. Du verströmst alles, was du hast, in einem Schwall. Teile deine Kraft ein, beherrsche dich. Er stützte mich, gab mir meine Gestalt wieder, dann spürte ich den Wellenschlag seiner Bestürzung.
    Vater!
    Er versetzte mir einen Stoß. Zurück! Laß ihn los, er ist nicht mehr stark genug. Du laugst ihn aus. Dummkopf. Zurück!
    Es fühlte sich an, als hätte er gegen mich gestemmt, nur radikaler. Als ich mich wiederfand und die Augen aufschlug, lag ich vor dem Kamin, mit dem Gesicht unbehaglich nah an den Flammen. Ich wälzte mich ächzend herum und sah den König. Seine Lippen bewegten sich mit jedem Atemzug ein und aus, und seine Haut wies eine bläuliche Färbung auf. Burrich und Kettricken und der Narr standen hilflos im Kreis um ihn herum. »Tut… etwas«, stieß ich hervor.
    »Was?« Der Narr schien zu glauben, ich wüßte es.
    Ich durchsuchte in Windeseile mein Gedächtnis, aber nur ein Mittel fiel mir ein. »Elfenrinde«, krächzte ich. Von allen Seiten sickerte Dunkelheit heran, ich schloß die Augen und lauschte auf das fieberhafte Hantieren meiner Freunde. Allmählich kam mir zu Bewußtsein, was geschehen war. Ich hatte von der Gabe Gebrauch gemacht. Und ich hatte mich der Kraft meines Königs bedient, um es zu tun.
    Du wirst der Tod von Königen sein, hatte der Narr mir gesagt. Eine Prophezeiung oder nur eine kluge Vermutung? Der Tod von Königen. Meines Königs. Tränen stiegen mir in die Augen.
    Ich roch Elfenrindentee, pur, stark, ohne Beimischung von Ingwer oder Minze. Mühsam öffnete ich die Lider einen Spalt.
    »Noch zu heiß!« zischte der Narr.
    »Auf dem Löffel kühlt er schnell ab«, behauptete Burrich und ließ dem König ein paar Tropfen in den Mund rinnen. Die Flüssigkeit lief nicht wieder heraus, aber ich sah ihn auch nicht schlucken. Mit dem selbstverständlichen Geschick jahrelanger Erfahrung bewegte er vorsichtig den Unterkiefer des Königs hin und her und strich sanft an seinem Hals hinunter, dann flößte er ihm einen zweiten Löffelvoll ein. Noch zeigte sich keine Wirkung.
    Kettricken hockte sich zu mir. Sie hob meinen Kopf auf ihr Knie und hielt mir einen heißen Becher an die Lippen. Ich schlürfte, heiß, schluckte, würgte gegen den bitteren Geschmack an. Die Dunkelheit wich zurück. Wieder der Rand der Tasse, noch ein Schluck. Der Tee war so stark, daß meine Zunge taub wurde. Ich begegnete Kettrickens Blick und brachte ein schwaches Nicken zustande.
    »Er lebt?« fragte sie leise.
    »Ja.« Um mehr zu sagen, fehlte mir die Kraft.
    »Er lebt!« Sie rief es den anderen mit jubelnder Stimme zu.
    »Herr Vater!« Das kam von Edel. Er stand schwankend in der Tür, das Gesicht von Wein und Zorn gerötet. Hinter ihm erspähte ich seine Leibwächter und Klein-Rosemarie, die mit großen Augen um die Ecke lugte. Irgendwie gelang es ihr, an den Männern vorbeizuschlüpfen, um zu Kettricken zu laufen und sich an ihre Röcke zu klammern. Einen Atemzug lang verharrten wir wie eine Gruppe lebloser Figuren.
    Dann kam Edel hereingestapft, verlangte Aufklärung und ließ niemanden zu Worte kommen. Kettricken blieb schützend an meiner Seite und bewahrte mich davor, erneut von seinen Leibwächtern ergriffen zu werden. Das Gesicht des Königs hatte inzwischen wieder etwas Farbe bekommen. Burrich hielt ihm noch einen Löffel Tee an den Mund, und ich sah erleichtert, wie er die Lippen spitzte, um zu trinken.
    Im Gegensatz zu Edel. »Was gibst du ihm? Hör auf damit! Ich werde nicht zulassen, daß mein Vater von einem Stallknecht vergiftet wird!«
    »Seine Majestät, der König, hat einen erneuten Schwächeanfall erlitten, Prinz«, meldete der Narr sich plötzlich zu Wort. Seine Stimme durchdrang das Charivari im Raum und schuf eine Enklave der Stille. »Elfenrindentee ist ein bekanntes Stärkungsmittel. Ich bin sicher, daß selbst Wallace davon gehört hat.«
    Der Prinz war betrunken. Er wußte nicht genau, ob man ihn verhöhnen oder beschwichtigen wollte.
    »Oh.« Es hörte sich grämlich an, eigentlich hatte er keine Lust, sich beschwichtigen zu lassen. »Nun, was ist dann mit ihm?« Mit einer gereizten Handbewegung zeigte er auf mich.
    »Betrunken.« Kettricken ließ beim Aufstehen meinen Kopf mit einem sehr überzeugenden dumpfen Geräusch auf den Boden fallen. Sterne barsten vor meinen Augen. Ihre Stimme drückte Verachtung aus. »Stallmeister, schafft ihn hinaus. Ihr hättet ihn rechtzeitig aufhalten sollen, bevor es zu diesem Eklat kommen konnte.

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