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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sagte leise, aber vernehmlich, während sie seine Hand ergriff: »Ihr seid mein König und der Vater meines Gemahls. Es soll sein, wie Ihr wünscht. Ich werde bei Euch bleiben.«
    Sie neigte den Kopf, Edel nickte liebenswürdig und mit einem wie auf Befehl losbrechenden Stimmengewirr gratulierte man sich zu ihrer Zustimmung. Als es wieder ruhiger geworden war, schwafelte Edel noch etwas weiter, doch er hatte sein Ziel bereits erreicht. Er setzte uns noch einmal die Weisheit seiner Entscheidung auseinander und daß Bocksburg sich besser verteidigen könne, wenn es nicht um seinen Monarchen fürchten müsse. Brillant fast sein Einfall zu erklären, dadurch, daß er und der König und die Königin-zur-Rechten sich ins Landesinnere zurückzogen, wäre Bocksburg kein so lohnendes Ziel mehr für die Korsaren, weil sie durch die Eroberung kaum noch etwas zu gewinnen hätten. Alles unwichtiges Gerede; nach dem dramatischen Höhepunkt der versöhnliche Ausklang. Bald darauf wurde der König hinausgeführt, er hatte seine Schuldigkeit getan. Königin Kettricken begleitete ihn. Nach ihrem Weggang wurde die Stimmung ausgelassener. Bierfässer wurden hereingerollt, man brachte große Kannen mit dem einfachen Landwein. Mehrere Spielleute aus den Inlandprovinzen gaben in verschiedenen Ecken der großen Halle ihre Lieder zum Besten, während der Prinz und seine Koterie es vorzogen sich von einem Puppenspiel unterhalten zu lassen, betitelt »Die Verführung des Sohnes der Wirtsfrau«. Ich schob meinen Teller zurück und schaute Burrich an. Unsere Blicke trafen sich und wir erhoben uns wie ein Mann.

KAPITEL 26
DIE GABE
     
    Die Entfremdeten schienen durch das, was man ihnen angetan hatte, zu Wesen geworden zu sein, die keine Gefühle mehr kannten; in diesem Sinne waren sie nicht böse, sie hatten keine Freude an ihren Untaten oder Verbrechen. Als man sie der Fähigkeit beraubte, etwas für ihre Mitmenschen zu empfinden, raubte man ihnen gleichzeitig die Voraussetzung für ein Leben in der menschlichen Gesellschaft. Ein hartherziger Mensch, ein mitleidloser Mensch, ein grausamer Mensch verfügt trotz allem noch über ein Gespür dafür, daß er sich nicht immer anmerken lassen darf, wie wenig ihm an anderen liegt, wenn er weiterhin in die Gemeinschaft einer Familie oder eines Dorfes eingegliedert bleiben will. Die Entfremdeten hatten sogar die Fähigkeit verloren, darüber hinwegzutäuschen, daß ihre Nächsten ihnen gleichgültig waren. Ihre Emotionen versiegten nicht einfach, sie waren verloren, so gründlich vergessen, daß sie nicht einmal mehr imstande waren, die gefühlsmäßigen Reaktionen eines anderen vorherzuwissen.
    Ein Gabenkundiger stellt in gewisser Weise das andere Extrem dar. Ein solcher Mensch kann hinausgreifen und von weitem erkennen, was andere denken und fühlen. Er kann, wenn er in besonders hohem Maße der Gabe teilhaftig ist, anderen seine Gedanken und Gefühle aufoktroyieren. In dieser gesteigerten Empfänglichkeit für Einflüsse von außen besitzt er ein Übermaß von dem, was den Entfremdeten fehlt.
    König-zur-Rechten Veritas gab zu, die Entfremdeten wären immun gegen seine Gabe. Das heißt, er konnte nicht wahrnehmen, was sie fühlten oder ihre Gedanken lesen. Daraus folgert jedoch keineswegs zwangsläufig, daß sie für die Gabe unempfänglich waren. Könnte es Veritas’ Gabe gewesen sein, die sie nach Bocksburg gelockt hat? Hat sein Hinausgreifen in ihnen einen Hunger geweckt, eine Erinnerung vielleicht an das, was ihnen genommen worden war? Die Kraft, die sie anzog, muß außerordentlich stark gewesen sein, wenn man bedenkt, daß nicht Schnee noch reißende Flüsse sie davon abhalten konnten, nach Bocksburg zu wandern. Und als Veritas Bocksburg verließ, um zu seiner Queste aufzubrechen, schien der Strom der Entfremdeten zu versiegen.
    Chade Irrstern
     
    Wir klopften an König Listenreichs Tür, und der Narr öffnete. Ich wußte Wallace bei den Feiernden unten, er war geblieben, als der König den Saal verließ.
    »Laß mich ein«, fordert ich den Narren auf, der mich trotzig anstarrte. »Nein«, sagte er rundweg und machte Anstalten, die Tür zu schließen.
    Ich stemmte die Schulter dagegen, und Burrich half mir. Es war das erste und sollte das letzte Mal bleiben, daß ich dem Narren gegenüber Gewalt anwandte. Ich hatte keine Freude daran zu beweisen, daß ich körperlich stärker war als er. Sein Blick, als ich ihn zwang, zurückzuweichen, war etwas, das kein Mensch im Gesicht eines Freundes

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