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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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nicht darauf. »Aber Justin und Serene waren doch gar nicht…«
    »Ich habe nicht die Zeit, es zu erklären. Es wurde mittels der Gabe getan. Aber sie waren es, Philia, ich schwöre es.« Ich faßte Mut für die nächste Frage. »Was haben sie mit mir vor?«
    »Man hat noch keine endgültige Entscheidung getroffen.«
    »Wir haben keine Zeit für barmherzige Lügen.«
    Ich konnte hören, wie sie schluckte. »Edel will dich hängen. Er hätte dich gleich in der Nacht töten lassen, in der großen Halle, nur daß Blade seine Männer abwehrte, bis wieder Ruhe eingetreten war. Dann haben sich die Küstenherzöge für dich verwendet. Lady Grazia von Rippon erinnerte Edel daran, daß kein Sproß aus dem Blut der Weitseher durch das Schwert oder den Strang hingerichtet werden darf. Er wollte nicht zugeben, daß du königliches Blut in den Adern hast, doch es erhob sich lauter Protest, als er es leugnete. Jetzt schwört er, daß er beweisen kann, daß du ein Gleisner bist, und Hängen ist die Strafe für einen, der von der unreinen Magie Gebrauch macht.«
    »Lady Philia! Ihr müßt jetzt gehen, wirklich, oder ich bin derjenige, der hängt!« Der Wächter war zurück, offenbar mit Chester, denn ich hörte die Schritte von mehr als einer Person, die sich meiner Zelle näherten. Philia ließ meine Hand los.
    »Ich werde für dich tun, was ich kann«, flüsterte sie. Sie war bemüht gewesen, sich nichts von ihrer Angst um mich anmerken zu lassen, aber bei diesen Worten brach ihre Stimme.
    Dann war sie fort und schimpfte wie ein Rohrspatz, während Chester – oder wer immer – sie zum Ausgang eskortierte. Ich bückte mich schwerfällig, um meine Äpfel aufzuheben. Sie waren nicht groß und runzlig von der Winterlagerung, aber ich fand sie köstlich. Ich aß sogar die Stengel mit. Leider halfen sie nicht, meinen Durst zu stillen. Eine Weile saß ich auf meiner Bank, den Kopf in die Hände gestützt, und zwang mich, wach zu bleiben. Ich wußte, ich sollte nachdenken, aber es fiel mir entsetzlich schwer. Mein Gehirn verweigerte mir den Dienst. Ich fühlte mich versucht, den festgeklebten Stoff von den Wunden an meinem Arm zu lösen, tat es aber doch nicht. Solange sie nicht anfingen zu schwären, war es besser, sie in Ruhe zu lassen. Ein weiterer Blutverlust hätte mich noch mehr geschwächt. Schließlich raffte ich mich auf und wankte zur Tür. »Wache!« rief ich, aber vielleicht war es wieder nur ein Krächzen.
    Man schenkte mir keine Beachtung.
    »Ich will etwas zu essen. Und Wasser.«
    Wo bist du? Ein anderer antwortete mir.
    Wo du mich nicht erreichen kannst, mein Freund. Wie geht es dir?
    Gut. Aber ich habe dich vermißt. Du hast so tief geschlafen, daß ich glaubte, du wärst tot.
    Viel fehlte nicht. Jene Nacht. Hast du sie zu den Pferden geführt?
    Ja. Und sie sind fortgeritten. Dem-wir-folgen hat ihnen gesagt, ich wäre ein Mischling, den du gezähmt hast. Sie glauben jetzt, ich bin ein Hund, der Kunststücke macht.
    Er wollte mich schützen, nicht dich kränken. Weshalb ist Dem-wir-folgen nicht mit ihnen gegangen?
    Ich weiß es nicht. Was tun wir jetzt?
    Warten.
    »Wache!« rief ich wieder, lauter diesmal.
    »Geh von der Tür weg.« Der Mann mußte genau vor meiner Zelle stehen. Ich war so von der Unterhaltung mit Nachtauge in Anspruch genommen gewesen, daß ich ihn nicht kommen gehört hatte. Mit mir war es zur Zeit wirklich nicht weit her.
    Eine kleine Klappe am Fuß der Tür ging auf, eine Kanne Wasser und ein halber Laib Brot wurden hindurchgeschoben. Dann schlug sie wieder zu.
    »Vielen Dank.«
    Keine Antwort. Ich hob die Kanne und das Brot auf und untersuchte beides. Das Wasser roch abgestanden, aber auch als ich vorsichtig einen Schluck probierte, wies nichts darauf hin, daß es vergiftet sein könnte. Das Brot brach ich in Stücke und suchte nach Klumpen im Teig oder irgendwelchen Verfärbungen. Es war nicht frisch, aber davon abgesehen, soweit ich feststellen konnte, einwandfrei. Und jemand hatte die andere Hälfte gegessen. Ich zögerte nicht, meine zu verzehren und trank das Wasser dazu. Halbwegs gesättigt streckte ich mich wieder auf meiner Steinbank aus und versuchte, die am wenigsten unbequeme Lage zu finden.
    Die Zelle war trocken, aber kalt, wie jeder ungenutzte Raum in Bocksburg während des Winters kalt war. Ich hatte eine genaue Vorstellung davon, wo ich mich befand. Der Kerker lag nicht weit entfernt von den Weinkellern. Hier konnte man sich die Lunge aus dem Hals schreien und keine Menschenseele,

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