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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sagte. Ihre Miene verriet Staunen darüber, wieviel ich von ihrem Treiben wußte. Ich beugte mich weiter vor, über Viragos Teller und Becher, bis ich ihr aus nächster Nähe ins Gesicht sah. »Sagt mir, Tapferste der Tapferen, habt Ihr je die Waffe gegen einen anderen als einen Landsmann erhoben? Gegen Rote Korsaren? Nein? Das dachte ich mir. Um wieviel einfacher, einen Gastgeber zu beleidigen oder eines Nachbarn Sohn zu verstümmeln, als einem Feind gegenüberzutreten, der gekommen ist, mit Feuer und Schwert unsere Heimat zu verwüsten.«
    Worte waren nicht Viragos beste Waffe. Zornentbrannt spuckte sie mich an.
    Ungerührt richtete ich mich auf und wischte mir das Gesicht ab. »Vielleicht möchtet Ihr mich zum Zweikampf herausfordern, zu einer passenderen Zeit, an einem passenderen Ort. Auf den Klippen vielleicht, wo Ihr so mutig den Gemahl einer Kuh erschlagen habt? Vielleicht wäre ich, ein Schreiber, für Euch ein würdigerer Gegner als jener krummgehörnte Recke?«
    Unvermutet geruhte Herzog Brawndy die Störung zur Kenntnis zur nehmen. »FitzChivalric! Virago!« rief er uns zur Ordnung, doch wir versuchten weiterhin, einer den anderen niederzustarren. Ich hatte die Hände links und rechts neben ihrem Gedeck aufgestützt und sie mit meiner vorgebeugten Haltung gezwungen, Boden preiszugeben.
    Ich glaube, der Mann neben ihr war nahe daran, mich ebenfalls herauszufordern, hätte nicht der Herzog mit dem Salzfaß auf den Tisch geklopft und uns nachdrücklich erinnert, daß wir an seiner Tafel saßen, in seiner Burg, und er werde kein Blutvergießen dulden. Er zumindest wäre in der Lage, sowohl seinen König als auch die Alten Bräuche zu ehren, und wir sollten es ebenfalls versuchen. Ich entschuldigte mich zerknirscht und wortreich, Virago widerwillig und mit zusammengebissenen Zähnen. Das Mahl wurde fortgesetzt, die Barden sangen, und im Verlauf der nächsten Tage kopierte ich die Schriftrolle für Veritas und besichtigte das Relikt der Uralten, das für mich aussah wie eine mit hauchdünnen Fischschuppen gefüllte gläserne Phiole. Zeleritas Sympathie für mich nahm beunruhigende Ausmaße an. Im Gegensatz dazu mußte ich die eisige Feindseligkeit in den Gesichtern von Viragos Anhängern ertragen. Es war eine lange Woche.
    Der Zweikampf, zu dem ich die Herausforderung ausgesprochen hatte, fand nie statt, denn wenige Tage nach dem Festmahl bildeten sich auf Viragos Zunge und in ihrer Mundhöhle die Ausschläge und Geschwüre, die nach der Überlieferung die Strafe für den waren, der seine Waffenbrüder belog oder eidbrüchig wurde. Sie war kaum in der Lage zu trinken, geschweige denn, feste Nahrung zu sich zu nehmen, und dermaßen entstellend war das Übel, daß selbst die Getreuesten ihre Nähe flohen, aus Furcht, sich anzustecken. Die Schmerzen machten es ihr unmöglich, in die Kälte hinauszugehen und zu kämpfen, und es fand sich niemand, der bereit war, für sie einzutreten. Ich wartete auf den Klippen, doch kein Gegner erschien. Zelerita leistete mir Gesellschaft, zusammen mit vielleicht einem Dutzend kleinerer Adliger, die Herzog Brawndy ermuntert hatte, mich zu begleiten. Wir machten Konversation und tranken viel zuviel Branntwein, um uns warmzuhalten. Gegen Abend brachte uns ein Bote von der Burg die Nachricht, Virago habe Burg Sturm verlassen, aber nicht, um sich nun doch noch zum Kampf zu stellen. Sie sei landeinwärts geritten. Allein. Zelerita schlug glücklich die Hände zusammen und überraschte mich dann mit einer Umarmung. Durchfroren, aber vergnügt kehrten wir zurück, um noch eine gemeinsame Mahlzeit einzunehmen, bevor ich die Heimreise antrat. Brawndy setzte mich auf den Platz zu seiner Linken, und zu meiner Rechten saß Zelerita.
    »Wißt Ihr«, äußerte er zu fortgeschrittener Stunde, »die Ähnlichkeit mit Eurem Vater macht sich von Jahr zu Jahr deutlicher bemerkbar.«
    Aller Branntwein in Bearns hätte nicht ausgereicht, die Kälte zu vertreiben, die mich bei seinen Worten durchströmte.

KAPITEL 6
ENTFREMDETE
     
    Die beiden Söhne von Königin Constance und König Listenreich waren Chivalric und Veritas. Sie kamen im Abstand von zwei Jahren auf die Welt und waren einander so eng verbunden, wie Brüder nur sein können. Chivalric als der älteste wurde an seinem sechzehnten Geburtstag in den Rang des Königs-zur-Rechten erhoben. Unmittelbar danach erhielt er bereits von seinem Vater den Auftrag, eine Grenzstreitigkeit mit den Chalced-Staaten zu schlichten. Von dieser Zeit an weilte er

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