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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Nach einer Weile richtete er sich auf.
    »Deine Abschirmung ist zu gut«, meinte er statt einer Begrüßung. »Seit drei Tagen versuche ich, dich zur Eile anzutreiben, und wann merkst du endlich, daß du gerufen wirst? Wenn du in meinem eigenen Pferdestall stehst. Ich sage dir, Fitz, wir müssen Zeit finden, dir beizubringen, mit der Gabe umzugehen.«
    Doch ich wußte, noch während er sprach, daß wir diese Zeit niemals finden würden. Zu viele andere Dinge verlangten seine Aufmerksamkeit. Wie immer kam er ohne Umschweife auf sein Anliegen zu sprechen. »Entfremdete«, sagte er. Mir lief ein Frösteln über den Rücken.
    »Die Roten Korsaren haben wieder zugeschlagen? Mitten im Winter?« fragte ich ungläubig.
    »Nein. Das wenigstens ist uns bis jetzt erspart geblieben. Doch wie es scheint, können die Roten Korsaren heimwärts segeln und an ihren Feuern sitzen, und trotzdem spüren wir ihr schleichendes Gift.« Er machte eine Pause. »Nun gut. Wärm dich auf und iß. Du kannst auch mit vollem Mund zuhören.«
    Während ich mich am Wein und den Speisen stärkte, setzte Veritas mich über den Stand der Dinge ins Bild. »Es ist das gleiche wie früher schon. Berichte von Entfremdeten, die rauben und zerstören, aber diesmal trifft es nicht nur Reisende, sondern auch einsam gelegene Höfe und Häuser. Ich habe nachgeforscht und muß den Berichten Glauben schenken. Doch die Überfälle erfolgen weit entfernt von den Schauplätzen der Raubzüge der Korsaren, und in jedem Fall behaupten Überlebende und Zeugen es wären nicht ein oder zwei Entfremdete gewesen, sondern Banden, die zusammenarbeiten.«
    Ich mußte erst den Bissen herunterschlucken, den ich im Mund hatte, bevor ich meine Meinung äußern konnte. »Ich glaube nicht, daß Entfremdete fähig sind, in Gruppen vereint zu handeln oder auch nur zu zweit. Wenn man ihnen begegnet, stellt man fest, daß sie keinen Sinn für Gemeinschaft besitzen. Sie können reden und denken, aber nur auf sich bezogen. Man muß sich vorstellen, wie Vielfraße sein würden, könnten sie sprechen. Für sie zählt nichts, außer ihrem eigenen Überleben. In anderen sehen sie lediglich Rivalen um Nahrung oder sonstige Beute.« Ich füllte meinen Becher nach, der gewärmte Wein tat mir gut. Wenigstens vertrieb er die Kälte aus meinem Körper. Das innere Frieren bei der Erinnerung an die trostlose Isolation der Entfremdeten vermochte er nicht zu lindern.
    Die Alte Macht hatte mir zu diesem Wissen über die Entfremdeten verholfen. Sie hatten so wenig Leben wie wandelnde Leichen, kaum, daß ich sie mit meinem speziellen Sinn überhaupt wahrzunehmen vermochte. Die Macht gewährte mir in gewissem Maß Zugang zu dem Netz, das alle Kreaturen verbindet, aber die Entfremdeten waren nicht mehr Teil davon, herausgetrennt aus dem Gewebe, gierig und mitleidlos wie ein seelenloser Sturm oder ein über die Ufer tretender Fluß. Einem von ihnen zu begegnen war für mich so überraschend, als hätte sich ein Stein erhoben, um mich anzugreifen.
    Doch Veritas nickte nur gedankenvoll. »Doch selbst Wölfe jagen in Rudeln. Reißfische stürzen sich in Schwärmen auf einen Wal. Wenn diese Tiere imstande sind, sich um des Vorteils willen zusammenzuschließen, warum nicht die Entfremdeten?«
    Ich legte das Stück Brot wieder hin, von dem ich abbeißen wollte. »Wölfe und Reißfische folgen ihrem Instinkt und teilen die Beute mit ihren Jungen. Sie jagen und töten nicht jeder zu seinem eigenen Nutzen, sondern zum Nutzen des Rudels oder Schwarms. Ich habe Entfremdete in Gruppen gesehen, doch es gibt unter ihnen keinen Zusammenhalt. Als ich damals von mehreren Entfremdeten angegriffen wurde, konnte ich mich nur retten, weil es mir gelang, sie aufeinanderzuhetzen. Ich ließ den Umhang fallen, auf den sie es abgesehen hatten, und sie gerieten darüber in Streit. Als sie sich schließlich wieder auf mich stürzen wollten, behinderten sie sich gegenseitig, statt sich zu helfen.« Jene furchtbare Nacht… Fäustel war gestorben, und ich hatte zum ersten Mal getötet. »Sie kämpfen nicht gemeinsam. Das übersteigt ihr Begriffsvermögen – der Gedanke, sich zu verbünden, damit alle gewinnen.«
    Ich hob den Blick und sah Veritas’ dunkle Augen voller Mitgefühl auf mir ruhen. »Ich vergaß, daß du einige Erfahrung darin hast, sie zu bekämpfen. Vergib mir. Es war mir entfallen, nicht weil ich es für unwichtig hielte, sondern weil es in letzter Zeit so vieles gibt, das mich bedrängt.« Seine Stimme erstarb, er schien

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