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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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selten länger als wenige Monate hintereinander in Bocksburg. Selbst nach seiner Vermählung gönnte man ihm kaum je Ruhe. Nicht, daß es während dieser Zeit so viele Übergriffe gegeben hätte – Listenreich schien darauf bedacht zu sein, die Grenzen seines Reichs unverrückbar festzulegen. Dispute mit den Nachbarn wurden anfangs meist durch das Schwert entschieden, doch im Lauf der Zeit entwickelte Chivalric ein bemerkenswertes diplomatisches Geschick und bemühte sich, mit diesen Mitteln eine Einigung zu erzielen.
    Von einigen Seiten wurde behauptet, Chivalric mit diesen Missionen zu betrauen, wäre der Plan seiner Stiefmutter, Königin Desideria, gewesen, die hoffte, er möge bei irgendeinem Scharmützel den Tod finden. Andere wiederum äußerten die Vermutung, Listenreich hätte auf diese Weise seinen ältesten Sohn aus dem Blickfeld und der Reichweite der neuen Königin entfernt. Prinz Veritas, aufgrund seiner Jugend dazu verurteilt, zu Hause zu bleiben, ersuchte Monat für Monat offiziell seinen Vater und König um die Erlaubnis, seinem Bruder folgen zu dürfen. Sämtliche von Listenreichs Versuchen, ihn für eigene Aufgabenbereiche zu interessieren, waren vergebens. Prinz Veritas erfüllte die ihm aufgetragenen Pflichten, doch niemals ließ er vergessen, daß er lieber bei seinem älteren Bruder gewesen wäre. Endlich, an Veritas’ zwanzigstem Geburtstag, nach sechs Jahren unbeirrbarer Entschlossenheit, gab Listenreich seinem Drängen nach.
    Von da an, bis zu dem Tag vier Jahre später, als Chivalric abdankte und Veritas den Titel König-zur-Rechten übernahm, arbeiteten die Prinzen Hand in Hand an der Sicherung der Grenzen, an Übereinkünften und Handelsabkommen mit den benachbarten Reichen. Prinz Chivalrics Begabung lag in dem Umgang mit Menschen, als Einzelpersonen oder als Volk. Veritas’ Stärken waren das Abfassen von Verträgen, die Anfertigung der detaillierten Karten mit den ausgehandelten Grenzverläufen sowie die Unterstützung der Autorität seines Bruders als Soldat und als Thronfolger.
    Prinz Edel, jüngster von Listenreichs Söhnen und sein einziges Kind mit Königin Desideria, verbrachte seine Jugend am Hof, wo seine Mutter alle Anstrengungen unternahm, ihn für die Anwartschaft auf den Thron zu präparieren.
     
    Mit einem Gefühl der Erleichterung trat ich die Heimreise nach Bocksburg an. Nicht zum ersten Mal hatte ich für meinen König einen derartigen Auftrag ausgeführt, doch ich empfand keine große Begeisterung für meine Arbeit als Assassine. Ich war froh, daß Virago mich beleidigt und herausgefordert hatte, unwissentlich hatte sie es mir leichter gemacht zu tun, was ich tun mußte. Dennoch, sie war eine sehr schöne Frau gewesen und eine ausgezeichnete Kämpferin. Es war eine Verschwendung, und ich sah keinen Grund, stolz auf mein Werk zu sein, außer, daß ich meinem König gedient hatte. Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, als Rußflocke mich die letzte Steigung des Weges hinauftrug.
    Ich schaute zur Hügelkuppe und glaubte meinen Augen nicht zu trauen. Kettricken und Edel zu Pferde. Seite an Seite. Ein Bild wie aus einer von Fedwrens kostbarsten illuminierten Handschriften. Edel ganz in Rot und Gold, mit spiegelblanken schwarzen Stiefeln und schwarzen Handschuhen. Der Reitumhang war über eine Schulter zurückgeschlagen, flatterte im Morgenwind und brachte den dramatischen Farbkontrast zur Geltung. Die scharfe Luft hatte seine Wangen gerötet und die sorgfältig frisierten Locken zerzaust. Seine dunklen Augen leuchteten. Fast sah er aus wie ein Mann, dachte ich, im Sattel des großen Rappen mit den eleganten Gängen. Auch das konnte er also sein, wenn er wollte, nicht nur der sybaritische Prinz mit einem Glas Wein in der Hand und einer Schönen im Arm. Auch hier verschwendetes Potential.
    Soviel zu ihm, aber seine Begleiterin hinterließ noch einen weit stärkeren Eindruck. Verglichen mit der Entourage, die ihnen folgte, erschien sie als eine rare und exotische Blüte. Sie ritt im Herrensitz in weiten, üppig bestickten Pluderhosen, und kein hiesiger Färberbottich hatte dieses Purpurrot hervorgezaubert. Die kniehohen Stiefel hätten als ›vernünftige Fußbekleidung‹ Burrichs Beifall gefunden. Zum Schutz vor der Kälte trug sie keinen Umhang, sondern eine kurze Jacke aus dickem weißem Fell mit hohem Kragen. Ein Schneefuchs, vermutete ich, aus der Tundra auf der anderen Seite des Gebirges. Auf dem Kopf trug sie eine in allen Regenbogenfarben gestrickte Mütze, die

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