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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Reise und verlangte nach der besten Auslese von Heitergras, um sich zu erfrischen. Ja, abends sollte es ein Gastmahl geben, ein schwelgerisches Gelage, mein Bester, nur die Vornehmsten waren geladen. Und habt Ihr ihn gesehen, den mit dem toten Fischauge, huh, mir ist es kalt den Rücken hinuntergelaufen. Wäre ich der König, ich würde mir einen anderen Ratgeber suchen, gabenkundig oder nicht. Solcherart waren die aufgeschnappten Gesprächsfetzen an Vorder- und Hintertür. Ich merkte mir alles, so wie ich mir auch einprägte, an welchen Fenstern die Vorhänge zugezogen waren, um die wenigen Stunden Tageslicht auszusperren. Ausruhen wollte er? Dabei konnte ich ihm behilflich sein.
    Doch ganz so einfach war es nicht. Vor wenigen Wochen hätte ich mir auf irgendeine Weise Zutritt zu Edels Gemächern verschafft, ihm den Dolch ins Herz gestoßen und keinen Gedanken an die Folgen verschwendet. Nun aber hallte nicht nur Veritas’ Gabenbefehl in mir wider, sondern ich hatte auch Frau und Kind, die auf mich warteten. Ich hatte die Verpflichtung, mein Leben zu bewahren. Ich brauchte einen Plan.
    Bei Anbruch der Nacht befand ich mich auf dem Dach des Gasthauses. Edel hatte mir mit der Wahl seiner Unterkunft unwissentlich einen Gefallen getan. Weil das Gebäude alle anderen ringsum überragte, konnte mich niemand zufällig entdecken. Man mußte schon nach mir suchen. Dennoch wartete ich, bis es völlig dunkel war, bevor ich zur Traufe hinunter halb kletterte, halb rutschte. Das Dach war steil und von einer dünnen Eisschicht überzogen. Nachdem mein Herzschlag sich beruhigt hatte, prüfte ich die Gegebenheiten. Das Dach sprang an dieser Stelle weit vor, um den darunter befindlichen Balkon zu schützen. Ich mußte bis zur Kante rutschen, im Weitergleiten die Traufe fassen und die Beine einwärts schwingen, um auf dem Balkon zu landen. Wenn das nicht gelang, drohte mir ein Sturz drei Stockwerke tief auf die Straße oder auf das mit lanzenähnlichen Spitzen verzierte schmiedeeiserne Balkongeländer.
    Ich hatte mich gut vorbereitet. Ich wußte, welche Fenster zu Edels Schlafgemach, welche zu seinem Wohnraum gehörten, und um welche Stunde er mit seinen Gästen beim Mahl sitzen würde. Ich hatte an etlichen Gebäuden in Blauer See die Riegel an Türen und Fenstern studiert und nichts gefunden, womit ich nicht fertig werden konnte. Ich hatte mir einiges Werkzeug besorgt sowie ein dünnes Seil, das mir nach vollbrachter Tat die schnelle Flucht ermöglichen sollte. Ich würde kommen und gehen, ohne eine Spur zu hinterlassen. Meine Gifte hatte ich in der Gürteltasche verwahrt.
    Zwei aus einer Schusterwerkstatt entwendete Pfrieme dienten mir als Haltegriffe. Ich bohrte sie nicht in die zähen Schindeln, sondern in die Ritze dazwischen, so daß sie am oberen Rand der darunterliegenden Schindelreihe klemmten. Der schlimmste Augenblick kam, als ich mit der unteren Körperhälfte über der Straße baumelte und nicht sehen konnte, wohin die Reise ging. Auf gut Glück holte ich mit den Beinen Schwung und bereitete mich darauf vor, im rechten Augenblick loszulassen.
    Nein-nein. Falle böse viel!
    Ich erstarrte. Mit angezogenen Knien hing ich an den eingeklemmten Pfriemen und wagte nicht einmal zu atmen. Es war nicht Nachtauge.
    Nein-nein. Kleines Frettchen. Geh weg. Falle böse viel.
    Dies ist eine Falle?
    Falle böse viel für Wolf-Fitz. Altes Blut weiß, Großes Frettchen sagt, geh hin, geh hin, warnen Wolf-Fitz. Rolf-Bär kennt deinen Geruch. Falle böse viel. Geh weg.
    Ich hätte fast aufgeschrieen, als ein kleiner warmer Körper plötzlich an mein Bein sprang und an meinen Kleidern hinauflief. Im nächsten Augenblick schnupperte die schnurrhaarige Nase eines Frettchens in meinem Gesicht. Falle böse viel, wiederholte es beharrlich. Geh weg, geh weg.
    Meinen Körper wieder auf das Dach hinaufzuhieven war schwerer, als sich hinunterrutschen zu lassen. Spannend wurde es, als mein Gürtel sich an der Traufe verfing. Nach einigem Ziehen und Zerren kam ich frei, zog mich das letzte Stück hinauf und blieb erst einmal liegen, um Atem zu schöpfen, während das Frettchen zwischen meinen Schulterblättern saß und immer wieder erklärte: Falle böse viel. In seinem winzigen, räuberischen Bewußtsein spürte ich einen großen Zorn. Meine Wahl wäre nicht auf ein solches Geschwistertier gefallen, doch ein anderer hatte sich dafür entschieden. Jemand, der nicht mehr war.
    Großes Frettchen totverwundet. Sagt Kleinem Frettchen, geh hin, geh hin.

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