Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
etwas sagen.«
Er schwieg, weil seine Schwester mit den Bechern hereinkam. Nachdem er ringsum eingeschenkt hatte, brachte er einen Trinkspruch aus.
»Auf König Edel.«
»Auf meinen König«, versetzte ich und trank. Es war guter Branntwein, Burrich hätte ihn gelobt.
»König Edel möchte solche wie unseren Freund Nik am Galgen sehen«, meinte unser Gastgeber.
»Oder noch lieber in seinem Rund.« Ich seufzte. »Welches Dilemma. Einerseits bedroht König Edel sein Leben, aber andererseits: hätte der König nicht den Handel unterbunden, wie würde Nik sein täglich Brot verdienen? Wie man hört, bringen die Besitzungen seiner Familie in diesen Zeiten nichts als Steine hervor.«
Der Mann nickte mitfühlend. »Ein Mann muß die Gelegenheiten ergreifen, die sich ihm bieten, um zu überleben.«
»So ist es«, stimmte ich zu. »Und manchmal ist es nötig, daß dieser Mann einen Fluß überquert, auch gegen seines Königs Gebot.«
»Soso. Aber das ist nicht ganz dasselbe, wie ein Paket von einem Ufer zum anderen zu schaffen.«
»Der Unterschied ist gering«, widersprach ich. »Wenn Nik sein Gewerbe versteht, dürfte das eine für ihn kaum schwieriger sein als das andere. Und ich hörte, er versteht sein Gewerbe gut.«
»Er ist der Beste«, sagte das Mädchen stolz.
Ihr Bruder wies sie mit einem strengen Blick zurecht. »Welchen Preis würde dieser Mann bieten, um ans andere Ufer gebracht zu werden?« fragte er halblaut.
»Darüber würde er mit Nik selbst verhandeln«, antwortete ich ebenso leise.
Ein paar Atemzüge lang schaute der Mann ins Feuer, dann erhob er sich und streckte die Hand aus. »Nik Felsenfest. Meine Schwester Pelf.«
»Tom«, sagte ich.
»Merle«, fügte meine Begleiterin hinzu. Wieder hob Nik den Becher. »Auf daß wir handelseins werden«, sagte er, und wir taten ihm Bescheid. Als wir uns hingesetzt hatten, fragte er: »Sollen wir offen reden?«
Ich nickte. »So offen wie möglich. Wir haben gehört, daß Ihr eine Gruppe von Pilgern über den Fluß und über die Grenze ins Bergreich bringen wollt. Wir ersuchen darum, uns anschließen zu dürfen.«
»Zum selben Preis«, warf Merle geschäftstüchtig ein.
»Nik, mir gefällt das nicht«, meldete Pelf sich plötzlich zu Wort. »Irgend jemand hat seine Zunge nicht im Zaum halten können. Wir hätten uns von Anfang an nicht darauf einlassen dürfen. Woher sollen wir wissen...«
»Still. Ich bin derjenige, der seinen Hals riskiert, und deshalb entscheide ich, was ich tue oder nicht tue. Du brauchst nur hier zu warten und auf Haus und Hof zu achten, während ich fort bin. Und sieh zu, daß du deine eigene Zunge im Zaum hältst.« Er wandte sich wieder mir zu. »Der Preis ist ein Kurant in Gold im voraus. Ein zweiter am Ufer drüben. Ein dritter an der Grenze.«
Eine Unverfrorenheit! »Wir...«
Merle grub ihre Fingernägel in mein Handgelenk, und ich klappte den Mund zu. »Du kannst mir nicht einreden, daß fromme Pilger mit dieser horrenden Forderung einverstanden waren«, sagte sie kalt.
»Sie haben ihre eigenen Pferde und Wagen, ihre eigene Verpflegung.« Er neigte den Kopf zur Seite. »Ihr dagegen seht mir aus wie Leute, die nur soviel mitnehmen, wie sie auf dem Rücken tragen können.«
»Deshalb machen wir aber auch erheblich weniger Umstände als jemand mit Wagen und Gespann«, argumentierte Merle. »Wir geben dir ein Goldstück jetzt und ein weiteres an der Grenze zum Bergreich – für uns beide.«
Nik lehnte sich zurück und überlegte einen Augenblick, dann schenkte er noch einmal eine Runde aus. »Nicht genug«, verkündete er bedauernd. »Aber ich nehme an, das ist alles, was ihr habt.«
Es war mehr, als jedenfalls ich hatte. Ich hoffte, daß vielleicht Merles Börse praller gefüllt war. »Bringt uns für diesen Betrag über den Fluß«, sagte ich. »Von dort aus sorgen wir selber für unser Weiterkommen.«
Merle versetzte mir unter dem Tisch einen Tritt. Ihre Worte schienen ausschließlich an mich gerichtet zu sein, als sie sagte: »Er führt die anderen zur Grenze und bis in die Berge. Es gibt keinen Grund, weshalb wir nicht mitreisen sollten.«
Nik trank bedächtig einen Schluck. Er seufzte tief. »Nehmt es mir nicht übel, aber ich will euer Geld sehen, bevor wir den Handel besiegeln.«
Merle und ich wechselten einen Blick. »Wir haben etwas unter vier Augen zu besprechen«, sagte sie glatt. »Entschuldige uns einen Augenblick.« Sie stand auf, nahm meine Hand und zog mich in eine Ecke. »Hast du noch nie in deinem
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