Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
Straße ab auf einen freien Platz am Ufer. Die ausgebrannten Ruinen einiger Hütten waren vermutlich Überbleibsel der Feuersbrunst, die dieses Land gezeichnet hatte. Zu der ehemaligen Anlegestelle gehörte eine primitive, ziemlich verrottete Rampe aus Holzbalken und Lehm am Ufer. An der gegenüberliegenden Seite entdeckte ich das Wrack der alten Fähre, halb gesunken und von Eis bedeckt, aber auch Gras war hindurchgewachsen. Sie moderte seit vielen Jahren vor sich hin. Die Hütten drüben waren in kaum besserem Zustand als die auf unserer Seite; auch ihre Dächer waren eingestürzt. Hinter ihnen erhoben sich sanfte, von Nadelwald bedeckte Berge, in der Ferne stolz überragt von den Gipfeln des Bergreichs.
Ein Trupp Männer hatte den freigelegten Prahm zu Wasser gelassen. Jetzt kamen sie zu uns herüber. Ein kühnes Wagnis. Die Fähre war an dem Spannseil festgemacht, aber trotzdem versuchte der tosende Fluß sie zu packen und loszureißen. Auf unserer Seite hatte man die Reittiere von Nik und seinen Männern an die Leine des Flaschenzugs geschirrt, während am anderen Ufer eine Koppel geduldiger Maultiere sich langsam rückwärts bewegte. Der Bug des Prahms hob und senkte sich unter dem Anprall der Wellen, und die Strömung brach sich schäumend entlang der Breitseite. Bei jedem Eintauchen gischtete Wasser über das flache, offene Deck. Es würde keine trockene Überfahrt werden.
Die Pilger flüsterten ängstlich untereinander, aber die Stimme eines Mannes erhob sich über das Gemurmel. »Welche andere Wahl haben wir denn?« Daraufhin verstummten sie und blickten der Fähre mit deutlichem Bangen entgegen.
Niks Wagen samt Gespann sollte als erster übersetzen. Vielleicht hatte man es so geplant, um den Pilgern Mut zu machen. Die Fähre wurde dicht an die Rampe verholt und mit dem Heck voran festgemacht. Ich spürte das Unbehagen der Tiere, aber auch, daß ihnen die Prozedur nicht neu war. Nik führte sie eigenhändig an Bord und hielt ihre Köpfe, während zwei seiner Männer herumgingen und den Wagen an den Klampen vertäuten. Dann sprang Nik wieder an Land und gab mit der erhobenen Hand ein Zeichen. Die beiden Männer postierten sich jeder bei einem der Pferde, während die Maultiere am anderen Ufer sich ins Geschirr legten. Die Fähre wurde losgemacht und gierte auf den Fluß hinaus. Beladen lag sie tiefer und ruhiger im Wasser, aber zweimal bäumte sie sich hoch auf und tauchte so tief wieder ein, daß eine Flutwelle über das Deck spülte. In gebanntem Schweigen verfolgten wir die Überfahrt. Am anderen Ufer wurde die Fähre verholt und mit dem Bug voran vertäut. Der Wagen wurde losgemacht, und die Männer fuhren ihn an Land und den Hügel hinauf.
»Nun, da seht ihr. Keine Ursache, sich zu ängstigen.« Nik sagte es mit einem sorglosen Grinsen, aber ich bezweifelte, daß er an seine eigenen Worte glaubte.
Mit zwei Fremden als Passagieren kehrte die Fähre zurück. Sie sahen nicht besonders glücklich aus, klammerten sich an die Reling und duckten sich vor der fliegenden Gischt. Trotzdem waren sie beide naß bis auf die Haut, als sie auf unserer Seite an Land gingen. Einer von ihnen winkte Nik zur Seite und redete ungehalten auf ihn ein, doch er schlug ihm auf die Schulter und lachte laut, als wäre alles ein guter Scherz. Der Fremde gab ihm einen kleinen Beutel, den er zufrieden in der Hand wog und dann an seinen Gürtel hängte. »Ich halte mein Versprechen«, sagte er betont und kehrte zu uns zurück, seinen Schutzbefohlenen.
Die Pilger waren als nächste an der Reihe. Einige wollten mit dem Wagen übersetzen, doch Nik belehrte sie geduldig, daß die Fähre um so tiefer im Wasser lag, je schwerer sie beladen war. Er geleitete sie auf den Prahm und vergewisserte sich, daß sie alle Platz hatten, um sich an der Reling festzuhalten. »Ihr auch«, rief er und winkte Krähe und Merle heran.
»Ich bleibe bei meinem Karren«, erklärte Krähe, doch Nik schüttelte den Kopf.
»Dein Pferd kennt das nicht. Wenn es da draußen durchdreht, wirst du nicht mit ihm auf der Fähre sein wollen. Vertrau mir, ich weiß, was ich tue.« Er schaute mich an. »Tom? Macht es dir etwas aus, mit der Schecke zu fahren? Du scheinst sie gut in der Hand zu haben.«
Ich nickte, und Nik sagte zu Krähe: »Du hörst es, Tom wird sich um dein Pferd kümmern, also geh zu den anderen.«
Krähe fügte sich, wenn auch unwillig. Ich half ihr vom Bock, und Merle nahm ihren Arm und führte sie an Bord. Nik richtete einige ermutigende Worte
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