Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
anderen sich auf mich warfen. Sie hatten sich nicht die Mühe gemacht, den braungoldenen Waffenrock abzulegen. Ich wehrte mich nach Kräften, damit sie gezwungen waren, mich zu töten, aber sie überwältigten mich. Von weiter oben hörte ich Rufe und Schreien. Ich glaubte Merles zornig erhobene Stimme zu erkennen.
Nach einer Weile lag ich an Händen und Füßen gefesselt am Ufer. Ein Soldat stand mit gezücktem Schwert neben mir Wache. Ich wußte nicht, ob er mich bedrohte oder den Auftrag hatte, die anderen daran zu hindern, mich zu erschlagen. Sie standen im Kreis um mich herum und starrten gierig auf mich nieder wie Wölfe auf ein frisch gerissenes Stück Wild. Ich nahm sie kaum zur Kenntnis, sondern spürte hinaus zu Nachtauge, der irgendwo um sein Leben kämpfte. Das Band zwischen uns wurde schwächer und schwächer, je mehr seine Kräfte schwanden.
Nik wurde plötzlich neben mir zu Boden gestoßen. Eins seiner Augen war geschwollen, und als er mich angrinste, waren seine Zähne blutig. »Nun, da wären wir, Tom, auf der anderen Seite des Flusses. Wie versprochen. Dein Ohrring gehört mir.«
Mein Bewacher trat ihm in die Rippen. »Sei still«, knurrte er.
»So war das nicht abgemacht«, protestierte Nik, als er wieder atmen konnte. Er schaute zu ihnen auf und wandte sich an einen, der die Rangabzeichen eines Feldwebels trug. »Ich habe mit eurem Hauptmann einen Handel geschlossen. Ich sagte zu, ihm diesen Mann zu bringen. Er versprach mir dafür Gold und daß ich unbehelligt die Grenze überschreiten könne. Ich und alle, die bei mir sind.«
Der Feldwebel lachte rauh. »Nun, das wird nicht der erste Handel sein, den der Hauptmann mit euch Gesindel geschlossen hat. Seltsam. Nie ist etwas für uns dabei abgefallen, stimmt’s, Jungs? Und der Hauptmann, Eda hab’ ihn selig, schwimmt irgendwo da unten im Fluß, deshalb können wir ihn nicht mehr fragen, was er dir versprochen hat. Er liebte seine großen Auftritte, unser Hauptmann. Nun, jetzt werden ihn die Fische fressen. Aber ich kenne meine Befehle, und die besagen, ich soll die ganze Schmugglerbande gefangennehmen und nach Mondesauge bringen. Ich bin ein guter Soldat, also werde ich genau das tun.«
Er bückte sich und erleichterte Nik nicht allein um den Beutel mit Gold, sondern auch um seine eigene Börse. Nik wehrte sich, was ihn einiges Blut kostete. Ich verschwendete kein Mitleid an ihn; schließlich hatte er mich an die Soldaten verschachert. Woher er gewußt hatte, wer ich war? Bettgeflüster mit Merle, sagte ich mir bitter. Wann würde ich lernen, daß es sich nicht auszahlte, jemandem zu vertrauen? Als sie Nik wegschleppten, hob ich nicht einmal den Kopf.
Ich besaß nur einen treuen Freund, und der bezahlte für meine Dummheit – und das nicht zum ersten Mal. Ich starrte zum Himmel, griff aus meinem Körper hinaus, so weit ich konnte, und spürte nach ihm mit allen Sinnen. Und ich fand ihn. Irgendwo scharrten und kratzten seine Pfoten an einer steilen, vereisten Böschung. Sein Fell war durch und durch naß, so daß er kaum den Kopf über Wasser halten konnte. Die Strömung riß ihn weg und wirbelte ihn herum. Sie zog ihn hinab, hielt ihn fest und stieß ihn plötzlich an die Oberfläche. Als er nach Luft schnappte, atmete er Gischt ein. Er hatte keine Kraft mehr.
Nicht aufgeben! befahl ich ihm. Gib nicht auf, schwimm weiter!
Und die launische Strömung warf ihn wieder ans Ufer, aber an dieser Stelle war es ein Gewirr herabhängender Wurzeln, in dem seine Pfoten sich verfingen. Er zog sich in die Höhe und strampelte mit den Hinterläufen nach einem Halt. Sein Brustkasten arbeitete wie ein Blasebalg.
Weiter, weiter. Du hast es beinahe geschafft!
Ich empfing keine Antwort von ihm, aber ich fühlte, wie er sich Stück für Stück die Böschung hinaufzog. Auf dem Bauch wie ein Welpe kroch er aus dem Fluß. Wasser strömte aus seinem Fell, und formte eine Lache um ihn. Er fror entsetzlich. Reif bildete sich an seinen Ohren und an seinem Maul. Als er aufstand und versuchte, sich zu schütteln, fiel er um. Er raffte sich mühsam wieder auf, entfernte sich taumelnd ein paar weitere Schritte vom Ufer und schüttelte sich erneut. Wassertropfen sprühten nach allen Seiten. Der schweren Fracht ledig, konnte sein Fell sich aufrichten und ihn wärmen. Mit hängendem Kopf würgte er einen Schwall Flußwasser aus.
Such dir einen geschützten Platz. Schlaf und wärm dich auf. Sein Verstand arbeitete sehr langsam. Der Lebensfunke in ihm brannte nur noch
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