Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
verteidigte ich mich fromm. »Was kann es schaden, mit mir zu reden?«
Der Offizier stand auf, und ich trat sofort ein paar Schritte zurück.
»Ich bin eingeschlossen, und ihr seid zu dritt. Ich langweile mich, weiter nichts. Könnt ihr mir wenigstens verraten, was man mit mir vorhat?«
»Man wird mit dir tun, was man gleich beim ersten Mal hätte tun sollen. Dich über Wasser aufhängen, vierteilen und verbrennen, Bastard.« Der Rüpel konnte es nicht für sich behalten.
Sein Vorgesetzter fuhr zu ihm herum. »Mundhalten! Er ködert dich, du Idiot. Keiner spricht noch ein Wort mit ihm. Nicht ein einziges! Auf diese Art erlangt einer von denen Macht über dich. Er verhext dich mit Worten. So hat er auch Kujon und die anderen getötet.« Der Offizier bedachte erst mich mit einem drohenden Blick, dann seine Männer. Sie setzten sich wieder hin. Der Rüpel schenkte mir noch ein höhnisches Lächeln.
»Ich weiß nicht, was man euch über mich erzählt hat, aber es ist nicht wahr«, versuchte ich erneut mein Glück. Niemand antwortete. »Seht mich doch an. Ich bin nicht anders als ihr. Wenn ich irgendwelche großen magischen Kräfte hätte, würde ich mich einfach so einsperren lassen? Nein. Ich bin nur ein Sündenbock, weiter nichts. Ihr wißt es doch selbst. Wenn etwas schiefgeht, muß irgend jemand dafür herhalten. Und ich bin derjenige, den das Los getroffen hat. Seht mich an und denkt an die Geschichten, die ihr über mich gehört habt. Ich kannte Kujon, als er noch mit Edel in Bocksburg war. Sehe ich aus wie jemand, der Kujon besiegen könnte?« Ich redete weiter, fast bis zur Wachablösung. Nicht, daß ich glaubte, sie von meiner Unschuld überzeugen zu können, doch ich konnte sie zu der Auffassung bringen, daß es keine Gefahr bedeutete, mir zuzuhören oder mir zu antworten. Ich erzählte aus meinem Leben und von meinen Mißgeschicken, Geschichten, die nun im ganzen Lager die Runde machen würden. Ob ich irgendwann irgendwie davon profitieren konnte – wer weiß. Doch ich hatte einen Grund, an der Tür zu stehen, und während ich sprach, drehte ich unauffällig an den Stäben, die ich umfaßt hielt, um sie zu lockern. Falls sie sich bewegten, so konnte ich es zumindest nicht feststellen.
Der nächste Tag dehnte sich endlos. Mir war, als rücke mit jeder Stunde, die verging, ein Verhängnis unaufhaltsam näher. Burl war nicht gekommen, um mit mir zu sprechen. Ich war sicher, er bewahrte mich nur für einen anderen auf, der auf dem Weg war, um mich zu übernehmen. Will möglicherweise. Keinen anderen würde Edel mit der Aufgabe betrauen, mich zu ihm zu bringen. Ich war nicht erpicht auf ein erneutes Zusammentreffen mit Will. Ich bezweifelte, daß ich stark genug war, um mich gegen ihn behaupten zu können. Meine Beschäftigung an diesem Tag bestand darin, an den Gitterstäben zu drehen und meine Wächter zu beobachten. Am Ende des Tages war ich bereit, etwas zu wagen. Nach einem Abendessen, bestehend aus Käse und Haferbrei, legte ich mich auf mein Bett und konzentrierte mich darauf, von der Gabe Gebrauch zu machen.
Vorsichtig senkte ich meine Barrieren in der Furcht, Burl zu finden, der mir auflauerte. Ich griff aus mir hinaus und fühlte nichts. Ich sammelte mich und versuchte es erneut, mit dem gleichen Ergebnis. Ich öffnete die Augen und starrte in die Dunkelheit. Wie ungerecht! Die Gabenträume kamen und bemächtigten sich meiner nach Belieben, doch nun, da ich den Strom der Gabe suchte, entzog er sich mir. Ich unternahm noch zwei Versuche, bevor hämmernde Kopfschmerzen mich zwangen aufzugeben. Die Gabe würde mir nicht helfen, von hier zu entkommen.
Bleibt die Alte Macht, bemerkte Nachtauge. Er schien sich in unmittelbarer Nähe zu befinden.
Ich sehe nicht recht, wie sie mir in dieser Lage helfen soll.
Ich auch nicht. Aber ich habe einen Gang unter der Mauer hindurch gegraben, für den Fall, daß es dir gelingt, aus diesem Käfig herauszukommen. Es war nicht leicht, denn die Erde ist gefroren und die Stämme reichen tief in den Boden. Aber wenn du dich aus dem Käfig befreist, kann ich dich aus der Stadt bringen.
Das ist ein guter Plan, lobte ich ihn. Wenigstens einer von uns tat etwas.
Weißt du, wo ich heute nacht mein Lager habe? Der Gedanke enthielt unterdrückte Belustigung.
Wo hast du dein Lager? fragte ich gehorsam.
Genau unter deinen Füßen. Es war gerade genug Platz für mich, um zwischen Erde und Fußboden zu kriechen.
Nachtauge, das ist Übermut. Man könnte dich sehen oder die
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