Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
Stelle entdecken, wo du gegraben hast.
Ein Dutzend Hunde ist vor mir hiergewesen. Niemandem wird mein Kommen und Gehen auffallen. Ich habe den Abend genutzt, um mir diesen Menschenbau anzusehen. Alle Gebäude hier sind unterhöhlt. Es ist ganz leicht, unbemerkt von einem zum anderen zu gelangen.
Sei vorsichtig, warnte ich ihn, auch wenn ich zugeben mußte, daß es unendlich tröstlich war, ihn so dicht bei mir zu wissen. Ich verbrachte eine unruhige Nacht. Die drei Wachen achteten darauf, daß immer eine Tür zwischen uns war. Als der Beschließer mir am nächsten Morgen einen Becher Tee und zwei Scheiben Hartbrot brachte, versuchte ich ihn mit meiner Liebenswürdigkeit zu erweichen. »Also habt Ihr meinen Vater gekannt«, bemerkte ich, während er Becher und Brot zwischen den Stäben hindurchschob. »Ihr müßt wissen, ich habe keine Erinnerung an ihn. Er hat mich nie sehen wollen.«
»Dann sei froh«, antwortete der Alte schroff. »Den Prinzen zu kennen hieß nicht, ihn zu mögen. Stocksteif Chivalric, ha! Regeln und Befehle für uns, während er draußen Bastarde gezeugt hat. Ja, ich kannte deinen Vater. Kannte ihn viel zu gut für meinen Geschmack.« Damit wandte er sich ab und zerstörte meine schwache Hoffnung, ihn als Verbündeten zu gewinnen. Ich setzte mich mit meinem frugalen Frühstück auf die Pritsche und starrte trübsinnig auf die Wand. Ein weiterer kostbarer Tag ging nutzlos dahin. Um einen Tag kürzer die Frist, bis Will kam, um mich zu holen. Einen Tag näher an Fierant, einen Tag näher am Tod.
Zu mitternächtlicher Stunde wurde ich von Nachtauge geweckt. Rauch. Viel Rauch.
Ich sprang von der Pritsche, ging zur Tür und schaute durch das vergitterte Guckfenster. Der alte Beschließer schlief auf seinem Bett. Der Junge und der Zänker würfelten, während der Offizier sich mit dem Messer die Fingernägel schnitt. Alles war ruhig.
Wo kommt der Rauch her?
Soll ich nachsehen?
Das wäre gut. Aber sei vorsichtig.
Wann bin ich das nicht?
Einige Zeit verging, während ich an der Zellentür stand und das Quartett in der Wachstube beobachtete, dann meldete Nachtauge sich wieder. Ein großes Gebäude, das nach Getreide riecht. Es brennt an zwei Stellen.
Gibt niemand Alarm?
Niemand. Die Straßen sind leer und dunkel. Dieser Teil der Stadt schläft.
Ich schloß die Augen und sah, was er sah. Das Gebäude war ein Kornspeicher. Jemand hatte an zwei Stellen Feuer gelegt. Das eine schwelte nur, aber das andere leckte gierig an der trockenen Holzwand empor.
Komm wieder her. Vielleicht können wir das für uns ausnutzen.
Warte.
Nachtauge bewegte sich zielstrebig die Straße entlang. Dabei schlüpfte er von einem Haus zum anderen. Hinter uns prasselte das Feuer am Kornspeicher, während es sich weiter ausbreitete. Nachtauge blieb stehen, witterte und schlug eine andere Richtung ein. Bald stand er vor einem zweiten Feuer. Dieses fraß sich glimmend in einen abgedeckten Heuhaufen im hinteren Teil eines Schuppens. Rauch kräuselte sich unschuldig empor und zerflatterte in der Dunkelheit. Plötzlich schoß eine Stichflamme in die Höhe, und mit einem gewaltigen Fauchen ging der gesamte Haufen in Flammen auf. Funken stoben in die Luft. Manche glühten noch, als sie auf die Dächer ringsum niedersanken. Jemand legt diese Brände. Komm wieder her!
Auf dem Rückweg entdeckte Nachtauge noch einen weiteren Brandherd – ein Bündel öliger Lappen unter der Ecke einer Baracke. Ein Windstoß fachte das Feuer an. Die Flammen leckten am Eckpfosten des Hauses empor und züngelten am Sockel entlang.
Der Winter hatte die Stadt aus Holz mit seinem strengen Frost so gründlich ausgetrocknet wie die größte Sommerhitze. Verschläge und Zelte füllten die Lücken zwischen den Häusern. Wenn die Feuer noch lange unentdeckt brannten, war ganz Mondesauge bis zum Morgen ein Aschehaufen – und ich ein Teil davon, falls es mir nicht gelang, aus meiner Zelle herauszukommen.
Wie viele Männer bewachen dich?
Vier. Und die Tür ist verschlossen.
Einer von ihnen muß den Schlüssel haben.
Warte. Sehen wir erst, ob sich das Kräfteverhältnis zu unseren Gunsten ändert. Oder vielleicht schließen sie auf, um mich herauszuholen.
Irgendwo in der schlafenden Stadt erhob ein Mann die Stimme zu einem Alarmruf. Der erste Brand war entdeckt worden. Ich stand in meiner Zelle und lauschte mit Nachtauges Ohren. Nach und nach schwoll der Tumult an, bis die Soldaten in der Wachstube aufstanden und sich gegenseitig fragten: »Was hat das
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