Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
verschwommenen Fieberträumen. Entweder hatte die nächtliche Unterhaltung mit dem Narren meine letzten Kräfte aufgezehrt, oder aber endlich in Sicherheit, war meinem Selbsterhaltungstrieb Genüge getan, und ich konnte mich der Wunde ergeben. Vielleicht traf auch beides zu. Ich lag auf einem Bett in der Nähe des Herdes und fühlte mich jämmerlich benommen, sofern ich überhaupt etwas fühlte. Mitgehörte Gespräche rauschten an mir vorbei wie ferner Regen. Ob in Fieberphantasien oder in einem halbwachen Dämmerzustand, getreulich, wie eine Trommel, die den Takt zu meinen Schmerzen schlug, begleitete mich Veritas’ Komm zu mir, komm zu mir. Andere Stimmen kamen und gingen, aber seine verstummte nie.
»Sie ist überzeugt, du bist derjenige, den sie sucht. Ich glaube es auch, und ich denke, du solltest sie empfangen. Sie hat eine lange, mühevolle Reise auf sich genommen, um mit dem Weißen Propheten zu sprechen.« Jofrons Stimme war leise und überzeugend.
Ich hörte, wie der Narr seine Raspel hinlegte. »Dann sag ihr, daß sie sich irrt. Sag ihr, ich bin der Weiße Spielzeugmacher. Sag ihr, der Weiße Prophet wohnt ein Stück weiter die Straße hinunter, fünf Türen auf der linken Seite.«
»Ich werde die alte Frau nicht zum Besten halten«, wies Jofron ihn zurecht, »Sie hat auf ihrer Reise viel Unbill erlitten und alles verloren bis auf das nackte Leben. Komm, heiliger Mann. Sie wartet draußen. Willst du nicht mit ihr sprechen, nur ein paar Worte?«
»Heiliger Mann.« Der Narr schnob verächtlich durch die Nase. »Du hast in zu vielen alten Schriften geschmökert. Wie deine neue Freundin vermutlich auch. Nein, Jofron.« Dann seufzte er und lenkte ein. »Sag ihr, sie soll in ein, zwei Tagen wiederkommen, dann werde ich vielleicht zu sprechen sein. Aber nicht heute.«
»Nun gut.« Jofron gab sich notgedrungen zufrieden. »Doch sie hat eine Begleiterin, eine Vagantin, und die wird sich nicht so ohne weiteres abweisen lassen. Ich glaube, sie sucht ihn.«
»Aber niemand weiß, daß er hier ist, außer dir und mir und der Heilerin. Er möchte eine Zeitlang in Ruhe gelassen werden, bis er genesen ist.«
Ich versuchte, die Lippen zu bewegen. Merle, ich wollte mit Merle sprechen. Mein Wunsch nach Geheimhaltung und daß ich niemanden sehen wollte, hatte nicht für Merle gegolten.
»Ich weiß. Und die Heilerin befindet sich immer noch in Zedernkuppe. Aber sie ist schlau, diese Vagantin. Sie hat die Kinder gefragt, ob in letzter Zeit ein Fremder aufgetaucht ist. Und die Kinder wissen natürlich alles.«
»Und plaudern alles aus.« Der Narr warf ein anderes Werkzeug auf den Tisch. »Dann bleibt mir also keine andere Wahl.«
»Du wirst sie empfangen?«
Der Narr stieß ein kurzes Lachen aus. »Aber nein. Ich meinte, daß ich sie anlügen werde.«
Die Nachmittagssonne fiel schräg auf meine geschlossenen Lider. Ich erwachte von einem ungehaltenen Wortwechsel.
»Ich möchte ihn nur sehen.« Eine Frauenstimme, gereizt. »Ich weiß, er ist hier.«
»Vermutlich sollte ich zugeben, daß du recht hast. Aber er schläft.« Der Narr mit seiner aufreizenden Gelassenheit.
»Trotzdem möchte ich ihn sehen.« Merle, in dem herrischen Tonfall, den ich von ihr kannte.
Der Narr stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Ich könnte dich hereinlassen, damit du ihn siehst. Aber dann hättest du den Wunsch, ihn zu berühren. Und hättest du ihn berührt, wolltest du warten, bis er erwacht. Und wäre er wach, würdest du mit ihm reden wollen. Es nähme kein Ende, aber ich habe heute viel zu tun. Eines Spielzeugmachers Zeit ist kostbar.«
»Du bist kein Spielzeugmacher. Ich weiß, wer du bist. Und ich weiß, wer er in Wahrheit ist.« Die Kälte sickerte durch die offene Tür ins Haus, kroch unter meine Decke, machte mich frösteln und zupfte mit eisigen Fingern an meinen Schmerzen. Ich wünschte mir, sie würden die Tür schließen, von innen oder außen.
»Ach ja, du und Krähe, ihr kennt unser großes Geheimnis. Ich bin der Weiße Prophet, und er ist Tom der Schäfer. Doch heute bin ich damit beschäftigt, die für morgen prophezeiten Marionetten fertigzustellen, und er schläft und zählt Schafe im Traum.«
»Laß die Spiegelfechterei.« Merle senkte die Stimme, aber sie trug dennoch bis zu mir. »Er ist FitzChivalric, der Sohn von Prinz Chivalric, dem abgedankten Thronfolger. Und du bist der Narr.«
»Früher einmal war ich vielleicht der Narr. Das ist hier in Jhaampe allgemein bekannt. Aber jetzt bin ich der
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