Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
Spielzeugmacher. Da ich den Titel nicht mehr beanspruche, magst du ihn dir zulegen, sollte es dich gelüsten. Was Tom angeht, ich fürchte, er führt dieser Tage den Titel Schlafmütze.«
»Ich werde in dieser Sache bei der Königin vorstellig werden.«
»Ein weiser Entschluß. Wenn du den Wunsch hast, ihr Hofnarr zu werden, ist sie es, der du dich vorstellen solltest. Doch vorerst laß mich dir etwas anderes zeigen. Nein, sei so gut, tritt einen Schritt zurück, damit du es zur Gänze würdigen kannst. Hier kommt es.« Ich hörte den Knall und das metallische Schnappen des Riegels. »Die Außenseite meiner Tür«, verkündete der Narr heiter. »Ich habe sie selbst gestrichen. Gefällt sie dir?«
Seinen Worten folgte ein dumpfes Poltern, wie von einem Fußtritt gegen Holz, das sich noch einige Male wiederholte. Der Narr kehrte fröhlich summend zu seiner Werkbank zurück, setzte sich hin, nahm den hölzernen Kopf einer Puppe zur Hand und einen feinen Pinsel. Bevor er anfing zu arbeiten, schaute er zu mir hin. »Schlaf weiter. Sie wird nicht so bald eine Audienz bei der Königin erhalten, Kettricken empfängt nur wenige Besucher dieser Tage. Und wenn sie schließlich doch Gelegenheit erhält, ihre Geschichte zu erzählen, ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß man ihr glauben wird. Mehr können wir jetzt nicht tun. Also schlaf, solange du noch kannst und sammle Kraft, denn ich fürchte, du wirst sie brauchen.«
Tageslicht auf weiß verschneiter Landschaft. Bäuchlings im Schnee zwischen den Bäumen, auf eine Lichtung hinunterblickend. Menschenjunge beim Spiel, die sich gegenseitig jagen, anspringen und niederwerfen, um sich balgend im Schnee zu walzen. Sie sind gar nicht so viel anders als unsere Welpen. Neid. Wir hatten niemals andere Welpen, um mit ihnen zu spielen, als wir jung waren. Es ist wie ein Jucken, das Verlangen, hinunterzulaufen und sich zu ihnen zu gesellen. Sie würden erschrecken, mahne ich mich zur Vorsicht. Nur zuschauen. Ihr helles Jauchzen erfüllt die Luft. Wird unsere Brudertochter werden wie diese, fragen wir uns. Zöpfe fliegen, während sie durch den Schnee tollen.
»Fitz, wach auf. Ich muß mit dir reden.«
Ein drängender Ton in der Stimme des Narren erreichte mein fieberträges Bewußtsein. Als ich die Lider hob, stach mir Helligkeit wie mit Nadeln in die Augen. Der Raum war dunkel, doch der Narr hatte einen mehrarmigen Kerzenleuchter neben meinem Bett auf den Boden gestellt. Er saß daneben und schaute mir ernst ins Gesicht. Ich konnte seine Miene nicht deuten. Mir schien, daß Hoffnung in seinen Augen tanzte und seine Lippen kräuselte, doch er wirkte auch angespannt, als brächte er schlechte Neuigkeiten. »Bist du wach? Hörst du, was ich sage?«
Ich brachte ein Nicken zustande. »Ja.« Meine Stimme klang so heiser, daß ich sie kaum erkannte. Statt kräftiger zu werden, damit die Heilerin mir den Pfeil herausschneiden konnte, fühlte ich mich, als sollte die Wunde die Oberhand behalten. Jeden Tag breitete der Schmerz sich weiter aus. Er nagte wie eine Ratte ständig am Rand meines Verstandes, so daß es mir schwerfiel, einen klaren Gedanken zu fassen.
»Ich habe mit Chade und Kettricken gespeist. Chade brachte Neuigkeiten mit.« Der Narr legte den Kopf schräg und ließ mich nicht aus den Augen, während er fortfuhr: »Chade sagte, es gäbe einen Weitsehersproß in Bocksburg. Ein Mädchen. Noch ein Säugling und linker Hand gezeugt, aber mit dem Blut der Weitseher in den Adern. Er schwört, daß es so ist.«
Ich schloß die Augen.
»Fitz! Fitz, wach auf und hör mir zu. Er bemüht sich, Kettricken zu überreden, daß sie Anspruch auf das Kind erhebt. Entweder unter dem Vorwand, es sei ihre rechtmäßige Tochter, empfangen von Veritas, und die Geschichte von der Totgeburt habe man nur erfunden, um sie vor Attentätern zu schützen. Oder sie solle sagen, das Mädchen sei Veritas’ Bastard, doch im Interesse des Reiches hätte sie sich entschlossen, es als legitime Erbin anzuerkennen.«
Ich konnte mich nicht rühren, ich konnte nicht atmen. Meine Tochter, er sprach von meiner Tochter. Beschützt und versteckt gehalten von Burrich, um dann dem ›Interesse des Reiches‹ geopfert zu werden. Molly aus den Armen gerissen und der Königin übergeben. Mein kleines Mädchen, dessen Namen ich nicht einmal kannte. Aus der Abgeschiedenheit an den Königshof verpflanzt, um eine Prinzessin zu sein und später eine Königin. Für mich unwiderruflich verloren,
»Fitz!« Der Narr legte
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