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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Stickrahmen herum und machte Jofron ein Kompliment für ihre Kunstfertigkeit; als sie ihn einlud, nahm er neben ihr auf der Bank Platz. Ganz selbstverständlich bewaffnete er sich mit Nadel und Garn, fädelte ein und ließ in einer Ecke Phantasieschmetterlinge entstehen. Dabei unterhielten er und Jofron sich halblaut über Gärten. Er schien sich wohl zu fühlen, ich hingegen kam mir ausgegrenzt vor, fehl am Platz, als einziger müßig in einem Raum voller still beschäftigter Menschen. Ich wartete darauf, daß Kettricken mich ansprach, doch sie hielt den Kopf über die Stickarbeit gesenkt. Merle schaute zu mir her und lächelte mit schmalen Lippen. Chade wich meinem Blick aus. Er sah an mir vorbei, als wären wir uns fremd.
    Die Gespräche im Zimmer waren gedämpft und von großen Pausen unterbrochen, meistens handelte es sich um die Bitte um einen Garnstrang oder eine Bemerkung über die Arbeit des Nachbarn. Merle spielte die altvertrauten Lieder der Marken, jedoch ohne Worte. Niemand sprach zu mir oder schenkte mir Beachtung. Ich wartete.
    Nach einer Weile begann ich mich zu fragen, ob es sich hier um eine subtile Art der Bestrafung handelte. Ich bemühte mich um Gelassenheit, aber die Spannung baute sich in Abständen immer wieder in mir auf. Alle paar Minuten mußte ich mich aufs neue ermahnen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und meine verkrampfte Haltung zu lockern. Es dauerte eine Weile, bis ich ein ähnliches Unbehagen bei Kettricken bemerkte. In Bocksburg, jungvermählt und neu bei Hofe, hatte ich ihr fast täglich aufgewartet. Ich hatte sie lustlos bei einer Handarbeit erlebt, voller Begeisterung in ihrem Garten; aber jetzt ließ sie mit einer Verbissenheit die Nadel fliegen, als hinge die Existenz der Sechs Provinzen davon ab, daß sie diese Decke fertigstellte. Sie war schmaler, als ich mich erinnerte, das Gesicht schärfer konturiert. Ein Jahr nachdem sie es zum Zeichen der Trauer um ihren Gemahl abgeschnitten hatte, war ihr Haar noch immer nicht wieder lang genug, um sich ordentlich aufstecken zu lassen; flächserne Strähnen kräuselten sich um ihre Stirn und ihre Wangen. Um Mund und Augen hatten sich Falten eingegraben, und sie kaute an den Lippen, was mir früher nicht bei ihr aufgefallen war.
    Der Vormittag schleppte sich dahin, doch endlich richtete sich einer der Männer auf, reckte die Arme und erklärte, seine Augen wären müde, für heute sei es genug. Er fragte die Frau neben ihm, ob sie Lust hätte, ihn auf die Jagd zu begleiten, und sie stimmte begeistert zu. Als wäre dies eine Art Signal, erhoben sich nach und nach alle anderen von ihren Plätzen, streckten sich und nahmen Urlaub von Kettricken. Mich befremdete der vertrauliche Umgangston, den sie mit ihr pflogen, bis mir einfiel, daß man sie hier nicht als Monarchin betrachtete, sondern als ein Opfer an die Berge. In ihrem Volk galt das Staatsoberhaupt nicht als Herrscher, sondern als Führer und Berater. Von ihrem Vater, König Eyod, erwartete man, daß er uneigennützig immer und jederzeit seinen Untertanen zur Verfügung stand. Seine Position war weniger erhaben als die der Monarchen der Sechs Provinzen, dafür brachte man ihm mehr Liebe und Achtung entgegen. Unwillkürlich stellte ich mir die Frage, ob es für Veritas nicht besser gewesen wäre, hierherzukommen und Kettrickens Prinzgemahl zu sein.
    »FitzChivalric.«
    Bei Kettrickens befehlendem Ton hob ich den Kopf. Nur sie, ich, Merle, Chade und der Narr waren noch in dem Gemach. Fast hätte ich Chade einen hilfeflehenden Blick zugeworfen, aber seine Miene war vorhin mehr als abweisend gewesen. Ich ahnte, daß ich bei dieser Audienz auf mich allein gestellt sein würde. Ich richtete mich kerzengerade auf und verneigte mich mit allem höfischen Anstand. »Majestät, Ihr habt mich rufen lassen?«
    »Wir waren gezwungen, vor einem Jahr aus der Heimat Unseres Gemahls zu fliehen. Wir wünschen, daß du Uns berichtest, was seither geschehen ist.«
    Der Wind draußen war milder als ihre Stimme. Ich hob flüchtig den Blick zu ihren Augen. Blaues Eis. Rasch schaute ich vor mir auf den Boden und holte tief Atem. »Ihr wollt meine Geschichte hören, Majestät?«
    »Falls es hilft, dein Versagen zu erklären.«
    Ich war überrascht. Unwillkürlich sah ich auf; doch obwohl unsere Blicke sich trafen, gab es keine wirkliche Begegnung. Alle mädchenhafte Weichheit war aus Kettricken herausgeschmolzen, wie Eisenerz in der Glut von allen Unreinheiten befreit wird. Im Lauf dieses Prozesses

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