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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sein konnten, wie ich erfuhr, als mein rechtes Bein unversehens bis zum Knie in einer solchen Falle steckte. Ich befreite mich ohne Hast, um das Schicksal nicht herauszufordern, und kletterte weiter.
    Als ich einen Augenblick innehielt und mich umschaute, verließ mich beinahe der Mut. Ich bewegte mich auf einer abschüssigen Geröllhalde, aus der lotrecht die glatte Felswand emporragte. Wenn die Steine unter meinen Füßen ins Rutschen gerieten, trat ich mit ihnen eine Reise ohne Wiederkehr an. Kein Baum, kein Strauch, kein Vorsprung, an dem man sich festklammern konnte. Nichtigkeiten wuchsen sich auf einmal zu lebensbedrohlichen Gefahren aus: das Zerren des Jeppas an der Leine, ein plötzliches Drehen des Windes, selbst das Haar, das mir in die Augen wehte. Zweimal ließ ich mich auf alle viere nieder und kroch auf Händen und Knien weiter. Auch sonst bewegte ich mich geduckt und prüfte mit Blicken den Boden, bevor ich den Fuß aufsetzte und mein Gewicht darauf verlagerte.
    Hinter mir kam die Kolonne der Jeppas, die unbeirrbar ihrem Leittier folgten. Sie befleißigten sich nicht der gleichen Achtsamkeit wie ich. Steine mahlten unter ihren Tritten, und kleine Steinlawinen klapperten und prasselten den Hang hinunter und spritzten über die Kante ins Leere. Jedesmal fürchtete ich, es wäre der Anfang eines furchtbaren Endes. Die Tiere waren nicht aneinandergeleint. Nur das erste führte ich am Strick. Jeden Augenblick rechnete ich damit, eins dem Abgrund entgegenrutschen zu sehen. Sie reihten sich hinter mir ein, wie Korken an einem Netz. Merle und der Narr waren weit zurückgefallen. Ich blieb einmal stehen, um die beiden zu beobachten und verfluchte mich, als ich erkannte, was für eine schwere Aufgabe ich Merle zugemutet hatte. Sie bewegten sich unendlich langsam. Merle stützte den Narren und suchte für sie beide den besten Weg. Mein Herz setzte einen Schlag aus, als sie einmal stolperte und der Narr neben ihr auf die Knie fiel. Sie blickte auf und entdeckte mich. Ungehalten hob sie einen Arm und winkte mir weiterzugehen. Ich tat es. Helfen konnte ich nicht.
    Der Wall aus Fels und Stein endete so abrupt, wie er begonnen hatte. Dankbar kletterte ich auf die feste Straße hinunter, das Leittier am Gängelband. Die anderen Jeppas folgten eins nach dem anderen. Wie Ziegen hüpften sie von Stein zu Stein und auf die Straße. Sobald sie alle unten waren, streute ich ihnen zwei Handvoll Körner hin, damit sie zusammenblieben und kletterte wieder nach oben.
    Weder Merle noch der Narr waren zu sehen.
    Die Angst, die mich packte, befahl mir: »Lauf!«, doch ich zwang mich, langsam auf meiner eigenen Spur zurückzugehen. In der von Stein- und Erdtönen beherrschten Landschaft mußten die bunten Kleider meiner Gefährten ins Auge fallen. So war es auch. Merle saß ohne sich zu rühren mitten in einem Schotterfeld, und neben ihr lag der Narr.
    »Merle!« rief ich halblaut.
    Sie hob den Kopf. Ihre Augen waren riesengroß. »Alles ist um uns herum in Bewegung geraten. Kleine Steine, dann größere, deshalb bin ich stehengeblieben, bis sich alles beruhigt hatte. Nun kann ich den Narren nicht dazu bringen aufzustehen, und tragen kann ich ihn auch nicht.« Sie kämpfte gegen die Panik in ihrer Stimme.
    »Rühr dich nicht. Ich komme.«
    Man konnte deutlich erkennen, wo die obere Schicht ins Rutschen gekommen war. Rollende Steine hatten ihre Spuren auf der schneebedeckten Oberfläche hinterlassen. Ich verschaffte mir einen Eindruck von der Lage und wünschte mir, ich wüßte mehr über Erdrutsche. Die Abwärtsbewegung schien ein gutes Stück über Merle und dem Narren eingesetzt zu haben und um sie herumgeflossen zu sein. Wir befanden uns noch immer etliche Meter über der Abbruchstelle, doch wenn das Geröll wieder zu rutschen begann, gab es für uns kein Halten mehr. Ich mußte kaltblütig handeln.
    »Merle!« rief ich wieder leise, obwohl es unnötig war; sie schaute unverwandt zu mir hinauf, als könnte sie sich mit Blicken an mir festklammern. »Komm zu mir. Ganz langsam und vorsichtig.«
    »Was ist mit dem Narren?«
    »Laß ihn da. Sobald du in Sicherheit bist, hole ich ihn. Wenn ich zu euch hinunterkomme, vergrößert das nur die Gefahr.«
    Es ist eine Sache, eine vernünftige Entscheidung zu treffen, daran festzuhalten, auch wenn sie nach Feigheit schmeckt, ist erheblich schwerer. Ich wußte nicht, was in Merles Kopf vorging, als sie sich langsam hinstellte und dann geduckt auf mich zukam, mit vorgestreckten Armen und

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