Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
für solche, die geschmacks- und geruchlos waren, wirksam als feines Pulver oder klarer Auszug. Außerdem sammelte ich Elfenrinde, das hochwirksame Stimulans, mit dem Chade Veritas geholfen hatte, seinen kräftezehrenden Umgang mit der Gabe zu überleben.
Man mußte davon ausgehen, daß Edel sich von seiner Kordiale beschützen ließ. Will war derjenige, den ich am meisten fürchtete, doch ich wollte nicht den Fehler begehen, einen von ihnen zu unterschätzen. Burl hatte ich als einen großen, plumpen Burschen gekannt und Carrod als einen Stutzer und Schürzenjäger, aber die Tage unserer gemeinsamen Jugend lagen weit zurück. Ich wußte schließlich, wie der Gebrauch der Gabe Will verändert hatte. Mit Carrod oder Burl hatte ich seit langem nicht mehr in Verbindung gestanden; sie auf die leichte Schulter zu nehmen konnte verhängnisvoll sein. Sie waren alle in der Gabe ausgebildet, und obwohl mein natürliches Talent einst viel stärker zu sein schien als das ihre, hatte ich auf drastische Weise erfahren müssen, daß sie Möglichkeiten kannten, die Gabe zu nutzen, von denen selbst Veritas nichts ahnte. Wenn ich von ihnen mit der Gabe angegriffen wurde und überlebte, brauchte ich die Elfenrinde, um wieder zu Kräften zu kommen.
Ich baute mir einen zweiten Kasten, groß genug, um meine Giftkassette aufzunehmen, doch nach der Form der Kasten eines fahrenden Schreibers, Bestandteil meiner Tarnung als ein solcher. Jeder, der mir unterwegs begegnete, würde daran mein Gewerbe erkennen. Federn beschaffte ich mir von einer brütenden Gans, der wir auflauerten. Einige der Grundsubstanzen für Tinten verstand ich herzustellen. Zur Aufbewahrung nahm ich ausgehöhlte Röhrenknochen mit Stopfen. Nachtauge spendete mir willig Haar für grobe Pinsel. Feinere Pinsel versuchte ich aus Kaninchenfell anzufertigen, aber das Ergebnis war nicht sonderlich zufriedenstellend. Von einem ordentlichen Schreiber erwarteten die Leute, daß er die Tinten, Pinsel und Federn seines Gewerbes bei sich führte. Widerwillig mußte ich mir eingestehen, daß Philia recht gehabt hatte, als sie sagte, ich verstünde schöne Buchstaben zu malen, besäße aber nicht die Kenntnisse eines ausgebildeten Schreibers. Ich hoffte, meine Utensilien reichten aus, falls ich unterwegs einen Auftrag ergattern sollte.
Es kam der Tag, an dem ich wußte, meine Ausrüstung war so vollständig wie nur möglich, und ich sollte bald aufbrechen, um den Sommer als Reisezeit zu nutzen. Ich war begierig darauf, endlich Rache zu nehmen und konnte mich doch nicht entschließen, die Hütte und das friedvolle Dasein zu verlassen. Zum erstenmal seit ich denken konnte, wachte ich auf, wenn ich ausgeschlafen hatte und aß, wenn ich hungrig war. Ich hatte keine Pflichten, außer denen, die ich mir selbst auferlegte. Bestimmt konnte es nicht schaden, wenn ich mir etwas Zeit nahm, um wieder ganz zu Kräften zu kommen. Obwohl die Blessuren meiner Kerkerhaft längst verblaßt und als einzige sichtbare Spuren Narben zurückgeblieben waren, kam es vor, daß ich mich morgens beim Aufstehen steif und hölzern fühlte wie ein alter Mann. Manchmal erschreckte mein Körper mich mit einem plötzlichen, stechenden Schmerz, wenn ich einen Satz machte oder zu schnell den Kopf drehte. War die Jagd besonders anstrengend gewesen, überkam mich ein Zittern, wie die Vorstufe zu einem der schweren Anfälle. Es war klüger, beschloß ich, erst aufzubrechen, wenn ich mich völlig erholt hatte.
Also verweilten wir und ließen die Zeit verstreichen. Die Tage waren mild, die Jagd war gut, und allmählich schloß ich Frieden mit meinem Körper. Ich war nicht mehr der abgehärtete Kämpfer von früher, doch ich konnte bei der nächtlichen Jagd mit meinem Wolfsbruder Schritt halten. Wenn ich sprang, um zu töten, waren meine Bewegungen geschmeidig und sicher. Mein Körper genas, und die Schmerzen der Vergangenheit hörten auf, mich heimzusuchen, wenn sie mir auch als dunkler Schatten in meiner Erinnerung erhalten blieben. Die Alpträume, die mich gequält hatten, verloren sich wie die letzten Reste von Nachtauges Winterfell. Nie zuvor hatte ich ein Leben gekannt, das so einfach war. Ich hatte endlich zu mir selbst gefunden.
Doch kein Friede währt ewig. Ein Traum beendete die Idylle. Nachtauge und ich erhoben uns vor Tagesanbruch, gingen auf die Jagd und töteten ein paar feiste Kaninchen. Der Hang, in dem sie lebten, war unterhöhlt von ihren Gängen, und die Notwendigkeit, uns die Bäuche zu füllen, wurde
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