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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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schnell zu einem übermütigen Fangenspielen. Erst als die Sonne bereits hoch am Himmel stand, ließen wir davon ab, warfen uns in den flimmernden Schatten einiger Birken, labten uns noch einmal an unserer Beute und dösten ein. Irgend etwas, vielleicht das unstete Sonnenlicht auf meinen Lidern, gab mir einen Traum ein.
    Ich war wieder in Bocksburg. In der alten Wachstube lag ich auf dem kalten Steinboden, umringt von Männern mit unbarmherzigen Augen. Die Granitplatten unter meiner Wange waren klebrig von geronnenem Blut. Während ich mit offenem Mund keuchend nach Atem rang, erfüllten der Geruch und Geschmack all meine Sinne. Sie kamen heran, um das begonnene Werk fortzusetzen, nicht allein der Mann mit den lederbehandschuhten Fäusten, sondern auch Will, körperlos, unsichtbar, der unauffällig durch meine Barrieren schlüpfte, um sich in mein Bewußtsein zu schleichen. »Nicht, bitte nicht«, flehte ich. »Hört auf, bitte. Ihr habt keinen Grund, mich zu fürchten oder zu hassen. Ich bin nur ein Wolf. Nur ein Wolf, keine Bedrohung für euch. Ihr habt nichts zu befürchten. Laßt mich gehen. Ich tue euch nichts, ich bin keine Gefahr. Ich bin nur ein Wolf.« Ich reckte den Kopf zum Himmel und heulte.
    Davon erwachte ich.
    Ich rollte herum, erhob mich auf alle viere, schüttelte mich und stand auf. Ein Traum, sagte ich mir. Nur ein Traum. Doch auf unerklärliche Weise fühlte ich mich besudelt. In diesem Traum hatte ich um Gnade gewinselt, was in Wirklichkeit nicht der Fall gewesen war. Ich war kein Feigling. Oder? Mir war, als könnte ich noch immer das Blut riechen und schmecken.
    Wohin gehst du? fragte Nachtauge träge. Er lag im tieferen Schatten, dank seines Fells erstaunlich gut getarnt.
    Wasser.
    Ich ging zum Bach, spülte mir das getrocknete Kaninchenblut von Gesicht und Händen und trank durstig Anschließend wusch ich mir das Gesicht gründlich und strählte mit den Fingernägeln das Blut aus meinem Bart Plötzlich war mir das Gestrüpp an meinem Kinn zuwider Ich hatte ohnehin nicht vor, irgendwohin zu gehen, wo man mich kannte. Kurzentschlossen ging ich zur Hütte zurück, um mich zu rasieren.
    An der Tür rümpfte ich die Nase über die schlechte Luft, die mir entgegenschlug. Nachtauge hatte recht gehabt; der Aufenthalt in einem geschlossenen Raum hatte meinen Geruchssinn abgestumpft. Ich konnte kaum glauben, daß ich es da drin ausgehalten hatte. Nur ungern ging ich hinein und schnaubte gegen die Menschengerüche an. Vor ein paar Nächten hatte es geregnet, durch die Feuchtigkeit war ein Teil von meinem getrockneten Fleisch schlecht geworden. Ich sortierte die befallenen Stücke aus und bemerkte angeekelt, daß sich in einigen bereits Maden eingenistet hatten. Während ich den Rest meiner Fleischvorräte untersuchte, wehrte ich mich gegen ein immer stärker werdendes Gefühl des Unbehagens. Erst als ich das Messer hervorholte und eine dünne Schicht Rost von der Klinge entfernen mußte, gestand ich mir die Wahrheit ein.
    Ich war seit Tagen nicht mehr hier gewesen.
    Vielleicht seit Wochen nicht.
    Ich hatte keine Ahnung, wieviel Zeit vergangen war.
    Ich betrachtete das verdorbene Fleisch, den Staub auf meinen Habseligkeiten. Ich tastete nach meinem Bart und bemerkte erschrocken, wie lang er geworden war. Daß Burrich und Chade mich hier allein gelassen hatten, war nicht Tage her, sondern Wochen. Ich ging zur Tür der Hütte und schaute hinaus. Dort wo Trampelpfade zum Bach hinunter und zu Burrichs bevorzugtem Angelplatz geführt hatten, stand das Gras hoch. Die Frühlingsblumen waren längst verschwunden, die Beeren hingen grün an den Büschen. Ich blickte auf meine Hände, auf den tief eingegrabenen Schmutz an meinen Handgelenken, das getrocknete Blut unter meinen Fingernägeln. Früher hätte mir der Gedanke, rohes Fleisch zu essen, Übelkeit bereitet, heute erschien mir die Vorstellung, Fleisch zu kochen, befremdlich und absurd. Mein Verstand schlug einen Haken, und ich brachte es nicht über mich, den Tatsachen ins Auge zu blicken. »Später«, die Gedanken schwirrten aufgeregt durch meinen Kopf, »morgen, später, Nachtauge...«
    Du bist beunruhigt, kleiner Bruder?
    Ja. Ich zwang mich hinzuzufügen: Du kannst mir nicht helfen. Es ist Menschensache, etwas, womit ich allein fertig werden muß.
    Sei lieber ein Wolf, riet er mir selbstgefällig.
    Ich hatte nicht die Kraft, dazu ja oder nein zu sagen. Statt dessen ließ ich es auf sich beruhen. Verstört blickte ich an mir herunter, auf meine schmutzige

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