Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
Weg gibt, sich mit den Möglichkeiten der Alten Macht gegen jene mit der Gabe der Weitseher zu verteidigen, wäre dieses Wissen für uns von größtem Wert.«
Holly stand auf, trat hinter Rolf, legte ihm die Hände auf die Schultern und sah mich an. Beiden konnte man am Gesicht ablesen, wie wichtig meine Antwort für sie war.
»Ich kann euch nicht helfen«, sagte ich der Wahrheit entsprechend.
Er hielt meinen Blick fest. Unglauben malte sich auf seinen Zügen. »Zweimal heute abend habe ich dir angeboten, dein Lehrer in den Bräuchen des Alten Blutes zu sein, dir alle Türen zu öffnen, die dir nur wegen deiner Unwissenheit verschlossen bleiben. Du wolltest nicht, aber bei Eda, ich war bereit, es zu tun. In dieser einen Sache nun, um die ich dich bitte, dieser einen Sache, die so vielen unserer Art das Leben retten könnte, willst du uns deine Hilfe verwehren?«
Mein Blick flog zu Hilda. Ihre Augen glitzerten wie Pechkohle. Rolf war sich möglicherweise nicht bewußt, wie sehr er in seiner Haltung der Bärin ähnelte, doch beide ließen mir geraten erscheinen, vorsorglich abzuschätzen, mit wie vielen Schritten ich im Notfall die Tür erreichen konnte, während Nachtauge bereits aufgesprungen war und zur Flucht bereit. Holly, die hinter Rolf stand, legte den Kopf schräg und starrte mich an, wie ihr Falke über uns. Ich zwang mich, meine Muskeln zu entspannen und mich gelassener zu geben, als ich mich fühlte – eine Taktik, die ich von Burrich gelernt hatte, wenn er einem verstörten Tier gegenüberstand.
»Ich sage die Wahrheit«, versuchte ich zu erklären. »Ich kann dich nicht lehren, was ich selbst nicht ganz verstehe.« Daß auch in meinen Adern etwas von dem verachteten Weitseher-Blut floß, behielt ich wohlweislich für mich. Ich wußte jetzt sicher, was ich vorher nur vermutet hatte. Um mit der Alten Macht einen Gabenkundigen attackieren zu können, mußte erst ein Kanal für die Gabe zwischen ihnen geöffnet sein. Selbst wenn ich in der Lage gewesen wäre zu erklären, was Nachtauge und ich getan hatten, hätte niemand etwas damit anfangen können. Um die Gabe mit der Alten Macht zu bekämpfen, mußte man beide Fähigkeiten besitzen. Ich hielt Rolfs forschendem Blick gelassen stand. Mein Gewissen war rein.
Langsam sanken seine hochgezogenen Schultern herab, und Hilda wandte ihre Aufmerksamkeit dem ausgelaufenen Honigtopf zu. »Aber vielleicht«, meinte er eigensinnig, »vielleicht, wenn du bei mir bliebest und lerntest, was ich dir beibringen kann, würdest du anfangen zu begreifen, was du tust. Dann könntest du mich einweihen. Stimmst du mir zu?«
Dies war nicht der Ort und nicht die Zeit, um die Geduld zu verlieren. »Du hast vergangene Nacht miterlebt, wie ich von den Handlangern des Königs angegriffen wurde. Glaubst du wirklich, sie werden zulassen, daß ich hierbleibe und mir Wissen aneigne, um es dann gegen sie zu verwenden? Nein. Meine einzige Chance besteht darin, ihnen in ihrem Schlupfwinkel gegenüberzutreten, bevor sie meine Spur gefunden haben.« Ich zögerte, dann sagte ich: »Auch wenn ich dich nicht lehren kann, das zu tun, was ich vermag, sei versichert, daß ich meine Fähigkeiten gegen die Feinde der Alten Macht gebrauchen werde.«
Anscheinend hatte ich Worte gefunden, die ihn überzeugten und versöhnten. Er schnaufte einige Male gedankenvoll. Ich fragte mich voller Unbehagen, ob ich inzwischen schon so viele wölfische Verhaltensweisen angenommen hatte, wie er die von seinem Bären und Holly von ihrem Falken.
»Werdet ihr wenigstens über Nacht bleiben?« fragte er unvermittelt.
»Wir finden es beide angenehmer, im Dunkeln zu marschieren«, antwortete ich bedauernd.
Er nickte verständnisvoll. »Nun, ich wünsche euch Glück und Erfolg bei eurem Vorhaben. Ihr seid herzlich eingeladen, hier in Frieden zu verweilen, bis der Mond aufgeht, wenn ihr es möchtet.«
Ich beratschlagte mit Nachtauge, und wir nahmen das Angebot dankbar an. So fand ich Gelegenheit, die Wunde an Nachtauges Schulter zu untersuchen, und sie gefiel mir nicht. Ich strich etwas von Burrichs Salbe darüber, dann legten wir uns draußen in den Schatten und verdösten den Rest des Nachmittags. Uns beiden tat es gut, einmal sorglos in der Gewißheit ruhen zu können, daß andere über uns wachten. Es war der erholsamste Schlaf seit dem Beginn unserer Reise. Als ich aufwachte, stellte ich fest, daß Rolf der Schwarze uns Fisch, Honig und Brot als Wegzehrung zurechtgestellt hatte. Von dem Falken war nichts zu
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