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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Stachelschwein aus der Deckung zu schlagen, das Nachtauge aufgestöbert hatte, um in Anbetracht der Wehrhaftigkeit des Tieres mir die Ehre zu überlassen, es mit einem Knüppel zu töten. In seiner Ungeduld, an das Fleisch zu gelangen, hätte er es soweit getrieben, daß wir beide mit den Stacheln gespickt waren. Vor Ungeduld bebend zog er sich ein paar Schritte zurück und setzte sich hin.
    Weshalb sprechen Menschen so? fragte er mich, während ich das erlegte Tier behutsam auf den Rücken drehte.
    »Wie?«
    Befehlend. Was gibt einem Menschen das Recht, einem Hund Befehle zu erteilen, wenn sie nicht Clan sind?
    »Manche sind Clan, oder beinahe.« Ich zog die Bauchhaut straff und führte am Stachelsaum entlang den ersten Schnitt. Mit einem reißenden Geräusch löste sich die Schwarte von dem fetten Fleisch. »Manche Menschen glauben, sie hätten das Recht dazu.«
    Warum?
    Zu meiner eigenen Verwunderung stellte ich fest, daß ich mir darüber nie Gedanken gemacht hatte. »Manche Menschen glauben, sie wären besser als Tiere«, sagte ich langsam. »Daß sie das Recht haben, sie zu benutzen oder zu ihren Sklaven zu machen.«
    Glaubst du das auch?
    Ich ließ mir Zeit mit der Antwort. Während ich die Haut sorgfältig straffzog und immer wieder nachgriff, arbeitete ich mich mit dem Messer langsam bis zur Schulter des Tieres hinauf. Wie war das mit Rußflocke gewesen? Hatte ich Skrupel gehabt, sie zu reiten? War ich besser als das Pferd, daß ich es meinem Willen unterwarf? Ich hatte mit Hunden gejagt, manchmal mit Falken. Welches Recht hatte ich, ihre Fähigkeiten für mich auszunutzen? Ungute Gedankenspiele für jemanden, der gerade ein Stachelschwein abhäutete, um es zu verspeisen. Ich sprach es aus: »Sind wir besser als dieses Stachelschwein, das wir getötet haben? Oder waren wir einfach nur klüger und stärker?«
    Mit zur Seite gelegtem Kopf schaute Nachtauge zu, wie mein Messer und meine Hände das Fleisch für ihn freilegten. Ich denke, ich bin allezeit klüger als ein Stachelschwein. Aber nicht besser. Vielleicht töten und essen wir es, weil wir es können. Genau wie, und hier streckte er genüßlich die Vorderläufe aus, genau wie ich einen gut dressierten Menschen habe, der die stachligen Dinger für mich pellt, damit ich sie ohne Mühe essen kann. Er ließ demonstrativ die Zunge aus dem Maul rollen, aber wir beide wußten, damit war die Frage nicht beantwortet. Ich fuhr mit dem Messer am Rückgrat des Stachelschweins entlang und hatte es endlich aus der Schwarte gelöst.
    »Ich sollte ein Feuer machen und etwas von diesem Fett abkochen, bevor ich das Fleisch esse«, überlegte ich. »Sonst verderbe ich mir den Magen.«
    Gib mir einfach meinen Anteil und tu mit deinem, was du willst, meinte Nachtauge gönnerhaft. Ich schnitt um die Hinterbeine herum, drehte die Gelenke aus und trennte sie ab – mehr als genug Fleisch für mich. Während Nachtauge, nachdem er sich seine Portion geschnappt hatte, Knochen und Knorpel zermalmte, machte ich Feuer und zerlegte die Keulen, um sie zu kochen. »Ich denke nicht, daß ich besser bin als du«, sagte ich ruhig. »Ich halte mich nicht für besser als irgendein Tier. Obwohl, wie du von dir zu behaupten beliebst, ich klüger bin als manche.«
    Als Stachelschweine vielleicht, belehrte er mich erhaben. Doch klüger als ein Wolf? Kaum.
    Wir lernten jede Nuance im Verhalten des anderen kennen. Manchmal waren wir mit Leib und Seele Jäger, genossen die Erregung des Anschleichens und Tötens, bewegten uns zielstrebig und beutehungrig durch unsere Welt. Zu anderen Zeiten kabbelten wir uns ausgelassen, schubsten uns gegenseitig vom Pfad ins Buschwerk, zwickten und bissen uns spielerisch und verscheuchten das Wild, bevor wir es überhaupt gesichtet hatten. An manchen Tagen dösten wir bis weit in den Nachmittag hinein, bevor wir uns aufrafften, um zu jagen und dann unsere Reise fortzusetzen. Wir ließen uns die Sonne auf den Pelz brennen und lauschten träge dem einschläfernden Summen der Insekten. Dann kam es vor, daß der ausgewachsene Wolf sich wie ein Welpe auf den Rücken rollte und bettelte, daß ich ihm den Bauch rieb, seine Ohren nach Zecken und Milben absuchte oder einfach nur ausgiebig seine Kehle und seinen Hals kraulte. An kühlen, nebligen Morgen rollten wir uns zum Einschlafen dicht beieinander zusammen, um uns gegenseitig zu wärmen. Manchmal weckte mich der Stüber einer kalten Nase gegen meine, oder wenn ich aufstehen wollte, stand er mit den Vorderpfoten auf

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