Die Legende von Carter Prewitt
still.
Carter Prewitt wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß aus den Augenhöhlen. Er hatte Callagher getötet, aber er empfand nichts dabei. Mit dem Fuß drehte er den leblosen Banditen auf den Rücken. In Callaghers gebrochenen Augen las Carter Prewitt nur eine absolute Leere – die Leere des Todes.
Carter Prewitt hatte einen blutigen Punkt unter das unselige Dasein des Banditen gesetzt.
Er lehnte sein Gewehr an den Felsen und holte Callaghers Pferd. Dann wuchtete er den Leichnam quer über den Pferderücken. In der Satteltasche fand er einige Schnüre, mit denen er den schlaffen Körper festband. Das Tier scheute, als ihm der süßliche Blutgeruch in die Nase stieg.
Carter Prewitt nahm sein Gewehr, legte es sich auf die Schulter und führte das Pferd am Kopfgeschirr den Hang hinunter …
*
James Allison hatte ein Stück Stoff aus seinem Hemd herausgerissen, einen Pfropfen gedreht und damit die Wunde unterhalb seines rechten Schlüsselbeins verschlossen. Carter Prewitt kauerte bei ihm nieder. Er hatte die Wasserflasche vom Sattel genommen, jetzt schraubte er sie auf und hielt sie seinem Freund hin. Allison trank. Dann sagte er gepresst: »Die Kugel steckt drin. Du musst mich zurück nach Kansas City bringen. Das Stück Blei muss heraus, sonst tötet mich der Wundbrand.«
Carter Prewitt nahm die Wasserflasche zurück und richtete sich auf.
Noch einmal ergriff James Allison das Wort und sagte: »Es ist gut, dass du ihn erwischt hast. Er war die Luft nicht wert, die er atmete. Du hast der Menschheit einen Dienst erwiesen.«
Es klang mitleidlos.
»Er hat bekommen, was er verdient hat«, knurrte Carter Prewitt, hakte die Wasserflasche an den Sattel, nahm Verbandszeug aus der Satteltasche und machte sich daran, Allison zu versorgen. Dann half er ihm beim Aufstehen, und nachdem James Allison auf der Ladefläche des Fuhrwerks lag und Prewitt die Pferde am Fuhrwerk angebunden hatte, setzte er sich auf den Bock und wendete das Gespann. Er fuhr zurück nach Kansas City. In der Stadt erkundigte er sich nach dem Haus des Arztes.
Zwanzig Minuten später schon lag James Allison auf dem Tisch in der Praxis und der Doc machte sich daran, ihm die Kugel aus der Brust zu operieren.
Währenddessen brachte Carter Prewitt den toten Banditen zum Sheriff und klärte den Gesetzeshüter ausführlich auf. Tom Haggan, der Sheriff, sagte, als Carter Prewitt geendet hatte: »Ihr Freund wird das, was Sie mir erzählt haben, sicherlich bestätigen. Ich werde trotzdem eine Untersuchung durchführen müssen. Sollte sich jedoch herausstellen, dass alles so war, wie Sie es mir erzählt haben, dann haben Sie nichts zu befürchten.«
»In Kansas City treiben sich einige Männer herum, die meine Aussage bestätigen können«, erklärte Carter Prewitt. »Ich werde versuchen, den einen oder anderen dieser Burschen aufzugabeln.«
»In Ordnung«, murmelte der Gesetzeshüter. »Ich kümmere mich um den Toten. Die Kosten für die Beerdigung übernimmt die Stadtkasse.«
Carter Prewitt verließ das Office. Er lenkte seine Schritte zum Depot der Postkutschenlinie. Ein Mann um die vierzig stellte sich ihm als Stationsleiter vor. »Wann fährt die nächste Kutsche nach Denver, Colorado?«, erkundigte sich Carter Prewitt.
»Übermorgen«, antwortete der Stationer, »am späten Nachmittag. Ich schätze so gegen sechs Uhr. Das kann man allerdings nie so genau sagen. Möchten Sie ein Ticket lösen?«
»Ja.«
Kapitel 20
Carter Prewitt brachte das Geld zur Bank, damit es dort im Tresor aufbewahrt wurde, bis er Kansas City verließ. Es im Hotelzimmer zu hinterlassen war ihm zu unsicher. Mit sich herumtragen wollte er es auch nicht.
Dann ging er in das Haus des Arztes und erfuhr, dass die Operation ohne Komplikationen verlaufen war und James Allison über den Berg war. Jetzt saß er neben dem Bett, in dem sein Freund lag, auf einem Stuhl. Er sah das bleiche, eingefallene Gesicht und die tief in dunklen Höhlen liegenden, fiebrigen Augen. James Allison sah mitgenommen aus und wirkte teilnahmslos. »Wie fühlst du dich, James?«
»Elend«, murmelte der Verwundete mit lahmer Stimme. »Aber der Doc meint, dass ich in vier Wochen wieder auf den Beinen sein kann. Ich glaube, ich hatte verdammtes Glück, Carter. Callagher war ein hervorragender Schütze. Dass mich seine Kugel nicht tötete, ist wohl nur einer glücklichen Fügung zuzuschreiben. Vielleicht hatte ich einen guten Schutzengel.«
»Das Thema Callagher ist für uns
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