Die Legende von Carter Prewitt
Ziel. Ihre Schwester fragte mich, ob Sie sich uns anschließen können.«
»Können wir uns Ihnen anschließen?«, fragte Carter Prewitt interessiert und erwartungsvoll.
»Wenn Sie bereit sind, bis Ende März zu warten – ja.«
»Sie wollen also ein halbes Jahr in Denver bleiben.«
»Vieles spricht für einen frühen Wintereinbruch und einen harten Winter. Wir müssen über das Gebirge. Im Winter ist das nicht zu schaffen. Ehe wir das Risiko eingehen, alles – vielleicht sogar unser Leben – zu verlieren, wollen wir warten.«
»Woraus schließen Sie auf einen frühen Wintereinbruch und einen harten Winter?«
»Von einigen Indianern, die Handarbeiten in der Stadt verkauft haben, weiß ich, dass die Büffel in diesem Jahr schon nach Süden gezogen sind. Die Rothäute wissen die Zeichen der Natur zu deuten. Auf ihre Prognosen ist Verlass.«
»Wo finde ich meine Angehörigen?«, fragte Carter Prewitt.
»Der Town Mayor hat ihnen ein verlassenes Haus am westlichen Ortseingang zur Verfügung gestellt. Ihre Mutter ist während der Reise nach Denver krank geworden.«
»Ich werde in den nächsten Tagen noch einmal zu Ihnen kommen, Mister McGregor«, versprach Carter Prewitt. »Ich denke, es gibt eine Menge zu besprechen. Haben Sie überhaupt jemand, der den Treck führt, jemand, der den Weg kennt und über die nötige Erfahrung verfügt, um uns sicher ans Ziel zu bringen?«
»Nein. Aber wir werden jemand finden.«
»Ich melde mich bei Ihnen«, versicherte Carter Prewitt, dann machte er sich auf den Weg zum westlichen Ortseingang. Die Tatsache, dass seine Mutter krank war, bereitete ihm Sorgen. Von ihrem Gesundheitszustand würde es abhängen, ob sie sich auf den Weg nach Westen begeben konnten.
Carter Prewitt fand das Haus. Der Zahn der Zeit hatte daran genagt und es sah ziemlich heruntergekommen aus. Zwischen dem Haus und einem windschiefen Schuppen oder Stall stand das Fuhrwerk. Prewitt öffnete die Tür und trat ein. Er stand in einer spärlich eingerichteten Küche. Corinna stand bei einer Anrichte, Joana und Buck saßen am blank gescheuerten Tisch. Sie starrten den Eintretenden an wie eine übernatürliche Erscheinung.
Corinna war es, die zuerst ihre Erstarrung abschüttelte. Heißer Schreck durchfuhr sie. »Du kommst alleine, Carter!« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Voll banger Erwartung fixierte sie ihren Bruder. Die Angst vor einer schlechten Nachricht ließ sie schneller und gepresst atmen. Heftig pochte ihr Herz.
»Keine Sorge, Corinna«, sagte Carter Prewitt. »James lebt. Er wurde verwundet und kuriert sich in Kansas City aus. Wenn es sein Zustand zulässt, kommt er unverzüglich nach Denver.«
Corinnas Züge entkrampften sich. Sie zeigte Erleichterung.
Joana hatte sich erhoben und kam nun auf Carter Prewitt zu. »Carter, dem Himmel sei dank. Die Sorgen um euch haben uns fast zerfressen.«
Er nahm sie in die Arme und küsste sie. »Der Gedanke an dich, Joana, hat mich in all den Wochen beflügelt und mir geholfen, durchzuhalten. Und jetzt bin ich glücklich, dich zu sehen.«
Sie lehnte an ihm und verspürte Dankbarkeit. Eine Art Demut erfüllte die junge, hübsche Frau. Dazu kam ein überwältigendes Glücksgefühl.
»Ich habe mit Joshua McGregor gesprochen«, sagte Carter Prewitt, indes seine linke Hand sanft über Joanas Rücken strich. »Von ihm weiß ich, dass Ma krank ist.«
»Der Doc meint, es ist das Herz«, sagte Corinna. »Sie ist stark abgemagert. Die Sorge um dich hat ihr den Rest gegeben.« Ein schmerzlicher Zug prägte Corinnas Miene. »Ich glaube nicht, dass sie den Winter überlebt.«
Es klang hart, aber es war Realität, und sie hatten sich dem harten Gesetz dieses unerbittlichen Landes unterworfen. Es gab nichts zu Beschönigen.
»Ich will sie sehen!«, stieß Carter Prewitt hervor.
Corinna ging zu einer Tür, die in einen Nebenraum führte, und öffnete sie. Carter Prewitt warf die Satteltaschen mit dem Geld auf den Tisch, dann betrat er das Zimmer. Seine Mutter lag im Bett und der Mann erschrak. Er sah eine vom Tod gezeichnete Frau, deren Gesicht von einer fahlen Blässe war und die ihn mit erloschenem Blick musterte.
»Ma, mein Gott!«, entrang es sich ihm. Er setzte sich auf die Bettkante und legte seine Hand auf ihre. Sie fühlte sich trocken und kalt an.
»Carter«, murmelte Kath Prewitt. »Du – du hast es also geschafft. Meine Gebete wurden erhört. Ich danke Gott, dass er dich behütet hat.«
»Ja«, murmelte Carter Prewitt und spürte einen
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