Die Legende von Carter Prewitt
Knoten im Hals, der ihm das Sprechen fast unmöglich machte. Er hatte die zwei Buchstaben regelrecht herausgewürgt. Nachdem er sich geräuspert hatte, setzte er noch einmal an. »Ich habe die Longhorns verkauft, Ma. Wir besitzen über sechzehntausend Dollar.«
»Das ist gut«, sagte die Todkranke mit matter Stimme. Es war mehr ein Hauch, der aus ihrer Kehle stieg. »Ich – ich werde euch wohl nicht nach Oregon begleiten können. Ich – ich …«
Kath Prewitts Stimme brach. Sie röchelte leise. Ihre bläulichen Lippen bebten. Auf ihrer Stirn glitzerte Schweiß.
»Sag das nicht, Ma«, knirschte Carter Prewitt. Wider besseres Wissen fügte er hinzu: »Du wirst gesund und alles wird gut.«
Ein Abgrund war in ihm aufgebrochen. Der Anblick seiner todkranken Mutter war für ihn nahezu unerträglich. Ein Sturm von Gefühlen tobte in ihm. Nur mühsam bekam er diesen Aufruhr in seinem Innersten unter Kontrolle. Übrig blieben nur Hilflosigkeit und Verzweiflung.
»Du brauchst mir nichts vorzumachen, Carter.« Kath Prewitt lächelte nach diesen Worten und schloss die Augen. Den Ausdruck in ihrem faltigen Gesicht konnte man als glücklich bezeichnen. Leise rasselten ihre Bronchien. Sie war eingeschlafen.
Leise verließen Carter Prewitt und seine Schwester das Zimmer. Corinna drückte die Tür ins Schloss und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Türfüllung. »Ich werde nach Kansas City fahren«, sagte sie.
Carter Prewitt ging zum Tisch, legte Buck die Hand auf die hagere Schulter und setzte sich. »Ich bin froh, dich wiederzusehen, mein Junge«, nuschelte der alte, zahnlose Cowboy.
»Ich soll dir von James bestellen, dass er dich mehr liebt als sein Leben«, erklärte Carter und schaute dabei seine Schwester an. »Es wird seinen Genesungsprozess sicherlich beschleunigen, wenn du an seinem Bett sitzt. Aber ich will dich warnen, Schwester. Du wirst fast drei Wochen lang in der Postkutsche durch und durch geschüttelt. Sowohl die Betten als auch das Essen in den Relaisstationen ist ausgesprochen schlecht. James kommt hierher. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis du ihn wieder siehst. Wenn ich dir raten darf, dann bleib hier und warte in Denver auf ihn.«
Störrisch schüttelte Corinna den Kopf. »Ich werde mich erkundigen, wann die nächste Stagecoach nach Kansas City fährt. In dieser Kutsche werde ich sitzen.«
Entschlossen ging sie zum Ausgang und verließ das Haus.
»Sie liebt James von ganzen Herzen«, murmelte Joana.
»Und James erwidert ihre Liebe«, sagte Carter Prewitt. »Ich freue mich, wenn er mein Schwager wird. James ist ein guter Mann – einer der besten, den ich je kennen gelernt habe.«
Buck mischte sich ein. »Du hast also mit McGregor gesprochen«, sagte er. »Ein Mann, der weiß, was er will. Er kommt aus Alabama und ist Prediger. Seine Tochter ist zwanzig Jahre alt. Er ist verwitwet. Sein Gottvertrauen ist unerschütterlich.«
»McGregor denkt, dass der Winter früh einsetzt und sehr streng wird.«
»Wir müssen eben bis zum Frühjahr warten«, murmelte Buck ergeben. Er holte tief Luft. »Erzähle, Junge, wie ist es euch ergangen. Haben euch Malones Sattelwölfe verfolgt? Wie war der Viehtrieb.«
Carter Prewitt berichtete. Joana und der alte Cowboy hörten andächtig zu. Manchmal brabbelte Buck etwas vor sich hin, das niemand verstehen konnte. Carter Prewitt schloss mit den Worten: »Wir haben eine Reihe von Schwierigkeiten überwunden. Vor uns liegt jedoch noch eine gewaltige Hürde. Es gibt also keinen Grund zur Freude. Wir werden verdammt stark sein müssen, oder wir zerbrechen an der Herausforderung.«
Prewitt hatte seinen Sorgen mit wenigen Worten Ausdruck verliehen. Er hatte sachlich und präzise geäußert, was sie erwartete und was ihnen vielleicht blühte. Die Erkenntnis, dass der Weg nach Oregon durch die Hölle führen würde, versiegelte Buck und Joana sekundenlang die Lippen.
»Warum bleiben wir nicht einfach auf dieser Seite der Rocky Mountains«, murmelte Joana schließlich. »Wir haben Geld und können es auch hier versuchen.«
»Mit dem Heimstättengesetz hat die Regierung vor etwa drei Jahren das Land zur Besiedlung freigegeben«, sagte Carter Prewitt. »Die Siedler werden in Scharen kommen, Zäune ziehen und das Land umpflügen. Östlich der Rockys verliert die Viehzucht früher oder später an Bedeutung. Ich möchte aber Rinder züchten. Und dazu benötige ich eine freie Weide. Die aber finde ich auf längere Sicht nur im Westen.«
»McGregor hat niemand, der den
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