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Die Legende von Carter Prewitt

Die Legende von Carter Prewitt

Titel: Die Legende von Carter Prewitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Hackett
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jüngster Sohn, trieb vier Kühe, fünf Schafe und zwei Ziegen hinter dem Fuhrwerk her. Ein Schäferhund half ihm dabei.
    »Hier ist gutes Land, Frau«, erklärte Gibson. »Wir haben Wasser, es gibt Gras für unser Vieh, und der Boden scheint fruchtbar zu sein. Wir bleiben an diesem Platz.«
    Er sprang vom Bock und half seiner Frau beim Absteigen. Fred Gibson trieb das Vieh zum Creek.
    Die Frau sammelte trockenes Holz. Bob Gibson baute zwei Zelte auf. Eines war für ihn und seine Gattin, das andere für Fred. Es war ein altes, löchriges Armeezelt.
    Fred Gibson schirrte die Maultiere aus, die den Prärieschoner gezogen hatten. Auch sie trieb er zum Fluss.
    Es war Mittagszeit. Die Sonne stand im Zenit. Weiße Wolken trieben am Himmel. Lana Gibson zündete das Reisig an, auf das sie dürres Holz geschlichtet hatte. Knisternd loderten die Flammen hoch, erfassten die armdicken Knüppel und bald konnte die Frau den Kochkessel ins Feuer hängen.
    Bob Gibson vollführte eine umfassende Armbewegung in die Runde. »Unser Land, Frau. Der Wald liefert uns Bauholz. Ich werde uns ein schönes Haus bauen, wir werden unsere Felder bestellen, und eines Tages wird Freddy von uns einen Besitz übernehmen, der sich sehen lassen kann. Ich glaube, wir haben uns richtig entschieden, als wir beschlossen, nach Oregon auszuwandern.«
    »Gebe Gott, dass es so ist«, murmelte die Frau. Ihr Tonfall verriet, dass sie nicht ganz so zuversichtlich war wie ihr Mann. Schon zu oft waren sie gescheitert. Ihr Scheitern in Minnesota war auch der Grund gewesen, der sie bewogen hatte, nach Oregon zu ziehen. Lana Gibson hatte die Hoffnung auf ein Leben in Wohlstand und Zufriedenheit längst aufgegeben.
    »Dieses Mal schaffen wir es, Frau!«, stieß Bob Gibson im Brustton der Überzeugung hervor. »Wir müssen nur ganz fest daran glauben und dafür arbeiten.«
    Seine Augen leuchteten.
     
    *
     
    Es war August des Jahres 1877. Das Tor des Gefängnisses in Boise wurde aufgestoßen. Ein Mann, in dessen Gesicht ein dunkler Bart wucherte, trat ins Freie. Ein Wärter begleitete ihn. Der Bärtige atmete tief durch. Nach über zehn Jahren sah er die Freiheit wieder. Er hätte Grund zur Freude gehabt, aber seine Gefühle waren gemischt.
    Der Wärter sagte: »Wohin werden Sie sich wenden, Shaugnessy?«
    »Ich gehe nach Oregon.«
    »Rechnen Sie sich dort Chancen aus? Sie haben kaum Geld. Ihnen gehört nur, was Sie am Leib tragen. Gibt es in Oregon jemand, der sie aufnimmt?«
    »Ich habe einen Sohn und eine Tochter«, murmelte Cole Shaugnessy. »Was aus ihnen wurde, weiß ich nicht. Vielleicht finde ich die beiden.«
    »Na gut, Shaugnessy. In Ihrer Haut möchte ich nicht stecken. Aber versuchen Sie, das Beste aus Ihrer misslichen Situation zu machen. Falls Sie Arbeit suchen – wenden Sie sich an Shannon. Er betreibt hier in Boise ein Fuhrunternehmen. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«
    »Danke.«
    Cole Shaugnessy setzte sich mit einem Ruck in Bewegung und schritt davon. Er schaute sich nicht um. Der Wärter ging durch das Tor und schloss es.
    Cole Shaugnessy schlenderte durch die Stadt. Boise war erst vor dreizehn Jahren gegründet worden. Alles wirkte neu und unverbraucht. Shaugnessy nahm alles in sich auf. Dann sah er über einem Tor ein großes Schild, das darauf hinwies, dass sich hier Shannons Fuhrunternehmen etabliert hatte. Entschlossen überquerte Shaugnessy die Straße, und wenig später betrat er das Büro des Unternehmens. Eine Theke teilte den Raum. Dahinter saßen zwei Männer an Schreibtischen. Ihre Augen saugten sich an dem Eintretenden fest.
    Shaugnessy grüßte, dann sagte er: »Ich bin heute in die Stadt gekommen und suche Arbeit. Vielleicht können Sie mir helfen.«
    Einer der beiden Angestellten nickte und erwiderte: »Ja, wir suchen Leute. Können Sie ein Gespann lenken?«
    »Das will ich meinen.«
    »Unsere Fuhrwerke fahren in alle Himmelsrichtungen. Wir versorgen Idaho und Oregon mit Gütern. Ein harter Job. Sie werden oftmals wochenlang unterwegs sein. Banditen und Indianer werden Ihnen das Leben schwer machen, und möglicherweise verlieren Sie sogar Ihr Leben.«
    »Das Risiko nehme ich in Kauf«, erklärte Cole Shaugnessy.
    »Gut, dann betrachten Sie sich als eingestellt. Sie erhalten dreißig Dollar im Monat. Haben sie eine Unterkunft?«
    »Nein.«
    »Dann können Sie in der Baracke auf der anderen Hofseite wohnen. Ihnen werden dafür fünf Dollar vom Lohn abgezogen. Ist das in Ordnung?«
    »Ich bin einverstanden«, murmelte Cole Shaugnessy.

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