Die Legende von Shannara 01 - Brooks, T: Legende von Shannara 01
zurückgehen«, schlug Prue einmal vor, aber er schüttelte rasch den Kopf.
»Zu gefährlich. Wenn sie zwischen uns und die Festung kommen, haben wir nicht die geringste Chance. Wir müssen weitergehen.«
Sie widersprach nicht, beschwerte sich nicht und verlangte keine Ruhepause. Sie wurde auch nicht langsamer. Sie tat einfach nur, was man ihr sagte. Er bewunderte dieses Mädchen.
»Wie lange kennst du Sider Ament schon?«, fragte er nach einer Weile, als ihn selbst das Schweigen ermüdete.
Sie zuckte mit den Schultern. »Seit ungefähr drei Wochen. Vorher hatte ich nur von ihm gehört.«
»Das reicht wohl, schätze ich. Ich bin ihm erst vor etwas mehr als einer Woche begegnet. Da habe ich zum ersten Mal gehört, dass jemand in jenen Bergen lebt. Warum sind eure Leute nicht schon vorher herausgekommen? Warum habt ihr euch die ganze Zeit versteckt?«
»Das ist eine lange Geschichte. Wir konnten nicht heraus. Wir wurden von einer Magie bewacht, die uns dort eingeschlossen hatte. Das Tal war alles, was wir kannten.«
»Ich wette, du wünschst dir, es wäre immer noch so, oder nicht?«
»Es wäre sicher einfacher. Aber die Nebelbarriere ist gefallen und wird sich nicht von selbst wieder aufbauen. Wir müssen uns dem Leben außerhalb des Tals stellen, ob es uns gefällt oder nicht.«
Sie sah ihn mit ihren beunruhigend grünen Augen an. »Wie bist du ein Söldner geworden?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich musste irgendwie meinen Lebensunterhalt verdienen. Schließlich hatte ich keine Angehörigen, keine Familie, gar nichts. Ich habe mich auf eigene Faust durchgeschlagen, seit ich zehn oder elf war. Ich lebte südlich von hier in einem Dorf und tat, was ich konnte, um am Leben zu bleiben. Ich stöberte oft in den Ruinen herum. Auf der Suche nach Dingen, die ich eintauschen oder verkaufen konnte. Eines Tages fand ich die Flechette, gut eingepackt und verstaut. Sie war wie neu. Und ist es immer noch.« Er deutete auf die Waffe, die über seiner rechten Schulter hing. »Ich habe versucht, sie zu benutzen, stellte fest, dass ich es konnte, und beschloss, ein neues Handwerk aufzunehmen. Meine Fähigkeiten machten mich zu einem geschätzten Geschäftspartner für alle, die Unterstützung gegen ihre Feinde suchten. Das fühlte sich gut an.«
»Bist du nie einsam?«
»Manchmal. Aber so geht’s doch jedem. Ich lebe gern allein, dann muss ich auf niemanden Rücksicht nehmen und treffe meine eigenen Entscheidungen. So ist es sicherer. Hat dir Sider erzählt, wie es hier draußen zugeht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin ihm erst ein Mal begegnet. Seitdem habe ich ihn nicht wiedergesehen. Aber ich kann mir denken, wie es ist.«
Er lachte sanft. »Nein, das kannst du nicht.«
Dann schilderte er es ihr im Detail. Es war ein unverblümter Vortrag, der nichts ausließ. Er übertrieb ein bisschen, aber nicht sehr. Das war nicht nötig. Die Dinge waren auch so schon furchtbar genug, ohne dass man etwas hinzuerfinden musste. Hauptsache, sie verstand die Grundzüge. Also beschrieb er die Morde, die Versklavungen und die Zerstörungen… jene zentralen Elemente der Verrohung, die als Nachwirkungen der Großen Kriege das Leben aller beherrscht hatten. Zumindest all derer, die nicht die Art von Schutz gefunden hatten, wie sie das Tal bot, aus dem sie stammte.
Sie hörte aufmerksam zu und unterbrach ihn nicht. »Du hast Recht«, sagte sie, als er zu Ende geredet hatte. »Das meiste hätte ich mir nicht vorstellen können. Ich weiß nicht, wie du das ertragen kannst.«
»Ich denke nicht darüber nach«, entgegnete er. »Ich lasse das alles nicht zu nah an mich herankommen.«
Sie verzog das Gesicht. »Aber es umgibt dich doch überall.«
»Es hilft, wenn man so etwas hat«, erwiderte er und berührte seine Waffen. »Die halten alles auf Abstand.«
Hinter ihnen ertönte kurz das Bellen der Skaithhunde und verstummte wieder. Es klang näher. Inch schaute sich um. Sie schienen weiter im Westen zu sein. Vielleicht folgten sie einer falschen Spur. »Bleiben wir in Bewegung.«
Sie gingen noch eine weitere Stunde lang, während sich der Tag dem Ende zuneigte. Ihm schien, dass sie sich der Festung näherten, aber wegen des Nebels und der Dunkelheit konnte er nicht sicher sein. Jedenfalls kam er normalerweise nicht aus dieser Richtung. Alles sah anders aus.
Wieder zerriss tiefes, kraftvolles Bellen die Stille. Das Mädchen blieb wie angewurzelt stehen und schaute sich um. »Jetzt haben sie unsere Witterung aufgenommen. Sie sind
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