Die Legende von Shannara 01 - Brooks, T: Legende von Shannara 01
wolltest doch mehr darüber erfahren. Also schön, so viel kann ich dir verraten. Diesen Stab erbt man nicht, man verdient sich das Recht, ihn zu tragen. Wenn er einem verliehen wird, bekommt man auch ein paar Regeln mitgeliefert, wie man ihn benutzen muss. Es ist die wichtigste Verpflichtung seines Trägers, diejenigen zu beschützen, für die er geschaffen wurde, damals, als die Großen Kriege nur eine imaginäre Bedrohung waren. Als mein Vorgänger mich auserkoren hat und mir den Stab übergab, geschah das in dem Bewusstsein, dass ich die Arbeit all jener Männer und Frauen fortsetzen würde, die den Stab vor mir getragen haben.«
»Was für eine Arbeit ist das? Ist es etwas anderes als das, was ich mache?«
Sider zuckte mit den Schultern. »Ich weiß längst nicht genug über deine Arbeit, um das beurteilen zu können. Aber man kann mich nicht anheuern, und gleichzeitig ist es nicht meine Entscheidung, über meinen Weg zu bestimmen. Ich bin der Beschützer einer Gruppe von Leuten, die vor den Großen Kriegen geflüchtet sind und seitdem nicht wieder in die Welt hinausgetreten sind. Nur dass sie es jetzt vielleicht müssen, weil die äußere Welt droht, in ihre kleine Welt einzudringen. Ich sorge für ihre Sicherheit und patrouilliere an den Grenzen ihres Schutzgebietes, seit es mir aufgetragen wurde. Die Bastionen dieser Grenzen jedoch beginnen allmählich nachzugeben. Man wusste schon immer, dass dies eines Tages geschehen würde und dass die Leute dann wieder in eure Welt, ihre alte Welt, hinausmüssten. Aber es zu wissen und es zu akzeptieren ist nicht dasselbe. Und nun ist dieser Moment gekommen; auch wenn sie mir nicht unbedingt glauben oder mir vertrauen, wenn ich es ihnen verkünde.«
»Also arbeitest du umsonst und wirst von denen nicht mal respektiert, für die du arbeitest.« Inch zog eine Braue hoch. »Dann bleibe ich lieber bei dem, was ich tue. Das ist wenigstens sinnvoll.«
Sider lächelte. »Na ja, ich weiß nicht, ob das, was ich tue, besonders sinnvoll ist, da gebe ich dir Recht. Aber die Menschen sind seltsame Wesen, und manchmal sehen sie nicht klar, wie es wirklich um sie herum aussieht.«
»Hier draußen ist es nicht viel anders, mein Freund.« Inch machte eine wegwerfende Handbewegung in Richtung der Ebene. »Aber so ist nun mal unsere Geschichte, wenn man genau darüber nachdenkt. Schau dir doch an, wie wir in die jetzige Lage gekommen sind. Fast alle sind in den Großen Kriegen umgekommen, und die, die sie nicht umgebracht haben, hatten kein Zuhause mehr und wurden auseinandergerissen. Alle haben neue Familien gegründet. Alle mussten zusammenhalten, um durchzukommen. Das war nicht leicht, so heißt es zumindest in den Geschichten, die über die Jahre weitergegeben wurden. Es war sogar ziemlich schwierig. Und ziemlich furchtbar.«
Er beugte sich vor. »Den Geschichten nach, die ich gehört habe, weiß ich folgendes: Die Großen Kriege endeten in einer Reihe gewaltiger Explosionen, welche die Erde zerstörten und alles darin für fast zweihundert Jahre vergifteten. Es gab fast keine Überlebenden. Die wenigen, die es geschafft haben, sind nach Norden oder nach Süden gezogen, oder haben sich an Orten versteckt, die vom Schlimmsten verschont geblieben waren. Ein paar sind unter die Erde gegangen. Etliche haben sich weit in die Berge zurückgezogen. Andere sind einfach an Ort und Stelle geblieben und hatten Glück. Viele jedoch sind zwar geblieben, wo sie waren, haben sich jedoch in Missgeburten, Mutanten oder Schlimmeres verwandelt. Aber es waren nie viele, die es geschafft haben. Und die meisten Überlebenden haben die ersten fünf Jahre nicht überstanden.«
Er zuckte mit den Schultern und schaute in die Dunkelheit hinaus. »Das ist lange her, Sider, und Schnee von gestern. Wir leben im Hier und Jetzt, nicht in der Vergangenheit. Aber die Gegenwart ist auch nicht gut. Du wolltest wissen, wie es jetzt hier aussieht? Na schön, dann werde ich es dir erzählen.«
Deladion Inch hielt inne, als wollte er seine Gedanken sammeln oder als suche er nach einem Punkt, mit dem er beginnen könnte. »Schön, es gibt keinen guten Anfang. Nach dem Ende der Großen Kriege lebten die Menschen wie die Tiere. Ein paar tun es immer noch, aber damals waren es alle. Sie kämpften mit Zähnen und Klauen ums Überleben. Sie haben sich gegenseitig umgebracht, wenn sie sich bedroht fühlten. Sie haben sich sogar gegenseitig gefressen, hat man mir erzählt. Nahrung war schwer zu finden, und der Tod durch
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