Die Legende von Shannara 01 - Brooks, T: Legende von Shannara 01
Koden. Oder um ein Wolfsrudel auf der Jagd. Aber kein Geschöpf, das er sich ausmalen konnte, schien zu einem solchen Gemetzel fähig zu sein.
Schließlich warf er Prue einen kurzen Blick zu und wies sie noch einmal an zu bleiben, wo sie war. Dann trat er ins Freie und ging zu den Toten. Seine Nackenhaare sträubten sich, als er sich ihnen näherte und das Ausmaß dessen, was ihnen widerfahren war, besser erkennen konnte. Die Körper waren nicht nur zerfetzt worden, es fehlten ganze Stücke. Die Leichen waren so verstümmelt, dass er nicht einmal sicher war, ob man sie noch identifizieren konnte. Sein Blick schnellte zwischen den Toten und den Hängen über ihm hin und her, denn er blieb vorsichtig und war noch immer nicht überzeugt davon, dass sie in Sicherheit waren.
Schließlich blieb er direkt neben den Überresten stehen. Hier lagen eine Hand und ein Arm, dort ein Fuß, und etwas seitlich noch ein Stück von einem Torso. Er nahm an, dass es sich um zwei Körper handelte. Vermutlich hatten sie verzweifelt um ihr Leben gekämpft, aber es sah nicht so aus, als hätten sie wirklich eine Chance gehabt. Sie schienen im Schlaf überrascht worden zu sein. Fetzen von Decken lagen herum und die Reste eines Lagerfeuers waren zu sehen. Vielleicht waren sie schon tot gewesen, bevor ihnen richtig klar wurde, was da über sie gekommen war.
Er ertappte sich bei dem Wunsch, dass es so gewesen sein möge.
Um seinen Kopf zu klären, atmete er mit einem tiefen Zug die kühle Morgenluft ein und kniete sich dann hin, um sich die Sache genauer anzusehen. Unverzüglich erwachten seine Fährtenleserinstinkte. Er untersuchte die Überreste, sorgfältiger diesmal, und eingehender. Es waren zwei Personen gewesen, ein Mann und eine Frau, und ihre Ausrüstung ähnelte der seinen sehr. Waren sie Fährtenleser gewesen? Er überlegte, ob irgendwelche Vermissten gemeldet worden waren. In den oberen Ausläufern des Tales patrouillierten ständig Fährtenleser, und es waren stets mindestens ein halbes Dutzend von ihnen im Dienst.
Dann fiel ihm an einer abgetrennten Hand etwa einen Meter vor ihm ein Armband auf. Er erhob sich, ging hin und kniete sich daneben. Das Armband war aus Gold, und an seinem Verschluss hing ein kleiner Anhänger in Gestalt eines Vogels.
Er schloss die Augen und wandte den Kopf ab. Bayleen.
Was bedeutete, bei der anderen Leiche musste es sich um Rausha handeln. Er kannte beide. Es waren tatsächlich Fährtenleser wie er, nur älter und sehr viel erfahrener. Er kannte sie schon seit Jahren. Prue kannte sie auch. Bayleen lebte nur ein paar Höfe weiter und hatte häufig auf sie aufgepasst, als sie noch ganz klein war.
Er überlegte, wie das hier hatte geschehen können, und untersuchte den Boden nach weiteren Spuren. Rausha war ein großer, sehr kräftiger Mann gewesen. Was auch immer ihm das angetan hatte, musste viel stärker gewesen sein und ihn vollkommen überrumpelt haben.
Er zog das Armband von dem versehrten Handgelenk und richtete sich wieder auf. Erneut sah er sich um, vorsichtiger jetzt als zuvor, weil ihm noch klarer geworden war, in welcher Gefahr sie schwebten. »Komm raus, Prue!«, rief er ihr zu.
Er ging ihr entgegen, damit sie sich den Überresten nicht nähern konnte. Als sie dann vor ihm stand und sich in ihren grünen Augen der Schreck widerspiegelte, der in seinem eigenen, sommersprossigen Gesicht stand, obwohl er versuchte, eine tapfere Miene aufzusetzen, hielt er ihr das Armband hin.
»Oh nein, Pan«, flüsterte sie. Tränen schossen ihr in die Augen und strömten die Wangen hinab.
»Und Rausha auch«, sagte er. Er ließ das Armband in seine Tasche gleiten. »Sie müssen geschlafen haben, als es geschah.«
Prue schlug die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen. Er legte seine Arme um sie und zog sie zu sich heran. »Shht, Prue, psst. Schon gut.«
Das war es natürlich nicht, aber etwas anderes fiel ihm nicht ein. Als er sie so hielt, fiel ihm wieder auf, wie klein sie war. Ihr Kopf reichte kaum bis an seine Schultern, und ihr Körper war so zart, als existierte er kaum. Er tätschelte ihren Kopf, strich ihr übers Haar und wartete, bis sie zu Ende geweint hatte. Es war schon lange her, seit er sie zum letzten Mal weinen gesehen hatte.
Schließlich hörte sie auf, trat einen Schritt zurück und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. »Was tun wir jetzt?«, fragte sie ruhig.
»Wir werden den verfolgen, der das getan hat«, sagte er unvermittelt.
Sie starrte ihn ungläubig an.
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