Die Legende von Shannara 02: Die Herrschaft der Elfen
sie Geräusche. Kurz darauf stießen sie auf die Leichen der Männer, die vor vielen Tagen bei dem überraschenden Überfall der Drouj getötet worden waren. Sie verwesten bereits, und der Totengestank waberte durch die Dunkelheit. Aasfresser hatten sich über die Überreste hergemacht.
Prue und Aislinne schlugen einen großen Bogen darum, Letztere mit eingenocktem Pfeil und gespannter Sehne. Die Taube war in den Pass vorausgeflogen, führte sie nach wie vor weiter. Keine der beiden Frauen sagte etwas, während sie ihr folgten. Stattdessen lauschten sie und hielten scharf Ausschau.
Prue behielt die Taube im Auge, deren rotes Gefieder immer wieder in den schattigen Tiefen des Passes aufblitzte, und sorgte dafür, dass sie den Kontakt zu dem Vogel nicht verlor. Aislinne ging neben ihr, und ihr Blick zuckte nach rechts oder nach links, suchte nach allem, was sich hier versteckt haben mochte. Prue wusste jedoch, dass sie zuerst spüren würde, ob Gefahr drohte. Mittlerweile war sie sich ziemlich sicher, dass ihre Instinkte genau so funktionierten, wie der König des Silbernen Flusses ihr versprochen hatte. Sie wusste zwar nicht, ob das genügte, um sie zu beschützen, aber mehr konnte sie nicht erhoffen.
Größere Sorgen bereitete ihr jedoch die Frage, was sie tun sollte, wenn sie bei ihrer Suche entweder auf Pan oder den Dämon stießen. Wohin auch immer die rote Taube Aislinne und sie führte, der eine oder der andere oder möglicherweise beide würden auf sie warten. Sie spürte es in ihren Knochen. Die versprochene Konfrontation wartete am Ende dieser Jagd auf sie.
Aislinne berührte ihren Arm. Irgendetwas bewegte sich in den Schatten vor ihnen. Prue blieb wie angewurzelt stehen, Aislinne ebenfalls. Sie sahen, wie sich eine Gestalt aus der Dunkelheit schälte und langsam Formen annahm. Sie schwankte von rechts nach links und stolperte häufig, als wäre sie betrunken oder als hätte die Erschöpfung die Reflexe beeinträchtigt und ihr Gleichgewichtsgefühl ausradiert.
Das Mädchen und die Frau wechselten einen unsicheren Blick, dann zog Aislinne Prue auf die Seite des Passes, wo sie sich beide an die Felswand pressten.
Die Gestalt trat schließlich aus der Dunkelheit in einen von Mondlicht beschienenen Fleck und hob den Kopf, als würde die Helligkeit des Lichts sie erschrecken. Die beiden Frauen konnten noch erkennen, dass es sich um einen Dorfbewohner aus Glensk Wood handelte, bevor die Beine des Mannes nachgaben und er zu Boden stürzte.
Fünf Stunden früher waren die Dorfbewohner, die dem Seraph gefolgt waren, hier entlanggekommen. Sie waren müde, ihre Füße taten weh, und sie waren verängstigt, aber sie schöpften neue Kraft aus den Worten ihres Führers, die er zu ihnen beim Betreten des Passes gesprochen hatte.
»Wir sind fast da!«, hatte er gerufen. »Der lange Marsch ist beinahe vorbei, und Hawk erwartet uns. Wir müssen nur noch diesen Pass überwinden und ein kleines Stück weitergehen. Sobald wir ihn erreicht haben, wird er uns sagen, wohin er uns führt und was wir finden, wenn wir ankommen. Er wird unsere Schmerzen und unsere Pein lindern, er wird unsere Herzen und unseren Verstand heilen. Und vergesst eins nicht: Diejenigen, die wir zurückgelassen haben, sind nicht verloren, sondern sie kommen später nach. Auch sie werden den Weg zu uns finden und sich erneut mit ihren Familien und Freunden vereinen. Wir alle werden zusammen sein.«
Die Worte des Seraphen gaben ihnen Auftrieb, sie marschierten durch den Pass, dicht zusammengedrängt, denn sie hatten warten dürfen, bis die Nachzügler, die noch genug Kraft dazu hatten, wieder zum Hauptteil des Trecks aufgeschlossen hatten. Sie zählten mehr als zweitausend Köpfe, diese Männer und Frauen, die in Glensk Wood gelebt hatten und jetzt vereint versuchten, das neue, sicherere Heim zu erreichen, das man ihnen versprochen hatte. Ein paar zweifelten immer noch. Weit weniger verliehen ihren Zweifeln auch Ausdruck. Doch die anderen schrien sie nieder, schwangen sich zu den wahren Gläubigen der Lehren des Hawk auf und beharrten auf dem Versprechen seiner Rückkehr. Schon bald würde ihnen alles enthüllt werden, sie wären mit ihrem geistigen Führer wieder vereint und wichen dann nie mehr von seiner Seite.
Als sie das andere Ende des Passes erreichten, hieß der Seraph sie anhalten. Sie sollten hier auf ihn warten, sagte er ihnen, während er vorausging, um sicherzustellen, dass Hawk auch bereit wäre, sie zu empfangen. Dann würde er
Weitere Kostenlose Bücher