Die Legende von Shannara 02: Die Herrschaft der Elfen
um sich herum sehen konnte, obwohl alles grau und farblos …?
Oh nein, oh nein! Sie schrie die Worte, aber lautlos, in ihrem Verstand, weil sie es nicht wagte, sie laut auszusprechen.
Sie konnte die helle rote Taube sehen, aber keine andere Farbe, nirgendwo. Sie konnte einen Vogel sehen, der in ihrer Welt nicht existierte, aber trotzdem darin herumflatterte. Denn sie befand sich in ihrer Welt. Ihre Instinkte und ihre Sinne sagten es ihr. Dies hier war nicht die Welt des Königs des Silbernen Flusses. Die beiden Welten waren so unterschiedlich, dass sie es gemerkt hätte, wäre dem anders gewesen. Sie war in ihrer eigenen Welt, und diese Welt hatte keine Farbe mehr.
Nur … es gab dort Farbe. Sie konnte sie nur nicht sehen. Das war der Sinn der Taube … es war ein Zeichen des Königs des Silbernen Flusses, das ihr mitteilen sollte, was der Einsatz seiner Magie gekostet hatte, es war ein Zeichen für das, was als Bezahlung genommen worden war. Sie konnte noch sehen, aber nur in Schwarz und Weiß, in Grautönen und Schatten. Alle Farben waren verschwunden.
Sie hockte sich auf die Absätze, wiegte sich hin und her und versuchte nicht zu weinen. Ihr rotes Haar … Sie würde die strahlende Farbe nie wieder sehen. Das Grün der Bäume, die unterschiedlichen Blautöne des Himmels, Pans haselnussbraune Augen, sein sonnengebräuntes Gesicht … nichts, nichts davon, nichts von ihrer Farbe, nirgendwo! Sie weinte, als ihr klar wurde, was das bedeutete, als sie begriff, wie sehr sie es vermissen würde, wie schrecklich es sein würde, in einer Welt zu leben, aus der alle Farben verschwunden waren.
Für immer.
Aber sie hatte ein Opfer gebracht, um Pan zu helfen, und sie weigerte sich, das zu bedauern. Die Kosten waren klar definiert. Sie hatte die Fähigkeit aufgegeben, die strahlenden Farben der Welt sehen zu können, damit sie wahrnehmen konnte, was sich in ihrer Dunkelheit verbarg, all die Gefahren, die den Unachtsamen bedrohten, all die Raubtiere, die etwas unendlich Wertvolleres stehlen würden als Farben. Panterra brauchte sie. Sie musste ihn retten, damit er das vollbringen konnte, was, wie der König des Silbernen Flusses behauptet hatte, seine Bestimmung war: ihr Volk zu retten, die Menschen aus dem Tal in eine neue Welt zu führen.
Aber in eine Welt, in der es keine Farbe geben würde! Nicht für sie. Niemals wieder! Sie konnte den Gedanken kaum ertragen und begann erneut zu weinen, schniefte in ihren Ärmel, dass ihr kleiner Körper zitterte. Nur ihr Schluchzen war in dem stillen Wald zu hören. Sie war doch erst fünfzehn, und jetzt sollte sie nie wieder Farben sehen!
Sie brauchte lange, um wieder die Kontrolle über sich zu erringen, viel länger, als sie erwartet hatte. Aber als sie schließlich zu Ende geweint und all ihren bitteren Gedanken im Geiste Ausdruck verliehen hatte, stand sie wieder auf und starrte in das Grau, das jetzt das Maß ihrer Zukunft sein würde. Sie musste loslassen, was gewesen war, und willkommen heißen, was sein würde. Sie musste die Konsequenzen ihrer Entscheidung, Panterra Qu zu helfen, akzeptieren und sich an die Hoffnung klammern, dass etwas Gutes daraus entspringen würde.
Falls sie es schaffte, ihn zu beschützen. Wenn sie bei ihm bleiben konnte, solange er sie brauchte.
Als die rote Taube wieder auftauchte, wie Quecksilber zwischen den Zweigen der Bäume hindurchglitt, holte sie tief Luft, straffte sich und machte sich daran, ihr zu folgen.
Jetzt stand sie in der Tür von Pans Haus und beobachtete, wie ihm die Erkenntnis dämmerte, was mit ihr geschehen war. Dann keuchte er laut auf, trat vor und schloss sie in seine Arme.
»Deine Augen!«, flüsterte er in ihr Haar und wiegte sie sanft.
Es schien ihr, als müsste er getröstet werden, also unterdrückte sie erfolgreich die Tränen, die ihr in die Augen zu steigen drohten. Stattdessen sog sie seinen Duft ein und schmiegte sich an seinen festen, warmen Körper.
»Es ist schon gut, Pan. Es ist nicht so schlimm, wie es scheint.«
Sie fühlte, wie er den Kopf schüttelte. »Aber du bist blind!«
Es tat so gut, von ihm gehalten zu werden. Es war das erste Mal, dass sie das Gefühl hatte, wirklich zu Hause und in Sicherheit zu sein, und sie wollte nicht, dass dieses Gefühl zu schnell endete. Sie war zwei Tage gegangen, um hierherzukommen, war durch die Einöde jenseits des Tals gegangen, durch die Declan-Schlucht, wo immer noch die Leichen unbestattet umherlagen und den Aasfressern als Nahrung dienten. Sie hatte die
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