Die Legende von Shannara 02: Die Herrschaft der Elfen
flüsterte er. »Träume von besseren Tagen.«
Es brach ihm das Herz, dass ein so großes Opfer erforderlich war, um die Magie in ihrer Balance zu halten, um zu verhindern, dass sich die Waagschale des Krieges zwischen dem Wort und dem Nichts in die falsche Richtung neigte. Er verfügte über große Macht, und dennoch fühlte er sich so hilflos. Es kostete einen so hohen Preis, ihr zu geben, worum sie gebeten hatte.
Er hatte ihr gesagt, er wüsste nicht, was sie verlieren würde, wenn sie Panterra Qu half, doch das entsprach nicht vollkommen der Wahrheit. Er wusste mehr, als er ihr sagte, wenn auch weit weniger, als er gerne gewusst hätte. Also hatte er ihr nur so viel erzählt, wie sie wissen musste, und ansonsten dem Schicksal und den Umständen ihren Lauf gelassen.
Immerhin galt das für alle lebenden Wesen … sie würden niemals alles wissen, was sie gerne wüssten. Das wenigstens würde sich niemals ändern.
Er bückte sich, nahm ihren Kopf in seine Hände und legte seine Finger auf ihre Schläfen. Dann schloss er die Augen und versenkte sich in sich selbst. Mit geschlossenen Augen tastete er mit Fingern und Daumen über ihr Gesicht, berührte verschiedene Stellen, gab und nahm, was erforderlich war, suchte die Quellen ihrer Magie. Er fand sie mit Leichtigkeit, gab ihnen von seiner eigenen Stärke, seinen tiefen Einsichten, seinen ungeheuren Instinkten. Dann nahm er die Hände von ihr und erhob sich.
Er hatte ihr so viel Hilfe gegeben, wie er konnte. Und hatte ihr genommen, was notwendig war. Die Zukunft würde zeigen, ob dieser Tausch sich gelohnt hatte, eine Zukunft, die für ihn nur ein Tropfen Wasser war, ihr jedoch wie ein Ozean erscheinen musste. Sie würde erwachen und feststellen, was passiert war, und wenn sie das tat, würde ihre Reise wahrhaftig beginnen.
Er hoffte sehr, dass sie stark und tapfer genug war, um sie zu überleben.
Mit einer Handbewegung schickte er sie in ihre eigene Welt zurück, wo sie genau das herausfinden würde.
KAPITEL 8
Als Prue Liss erwachte, war das Licht so grau, dass es ihr vorkam, als wäre alle Farbe aus der Welt gesaugt worden. Sie blinzelte unsicher, als sie aus ihrem tiefen Schlaf erwachte. Sie fühlte sich müde und schwach. Sie lag irgendwo auf einem grasigen Flecken in einem Wald, dessen Bäume einen Baldachin über ihrem Kopf bildeten und der nach Feuchtigkeit und Fäulnis roch. Sie konnte weder die Tageszeit erkennen, noch wusste sie, ob es überhaupt Tag oder Nacht war. Es herrschte ein merkwürdiges Zwielicht, als wäre die Sonne gerade untergegangen und die Nacht zöge herauf.
Sie blieb eine Weile dort liegen und wartete, bis sie wieder zu Kräften gekommen war. Sie erinnerte sich noch sehr gut an ihr Treffen mit dem König des Silbernen Flusses, obwohl es ihr jetzt eher wie ein Traum vorkam denn wie Realität. Sie konnte sein Gesicht vor ihren Augen sehen, hörte seine Stimme, aber ihr fehlte jedes Gespür für Zeit und Ort. Wie lange war sie bei ihm gewesen, und wo hatte das Treffen stattgefunden? Nichts davon war klar, und jetzt war es unmöglich, mehr darüber herauszufinden.
Sie wusste jedoch, dass er etwas mit ihr gemacht hatte, und zwar das, worum sie ihn gebeten hatte, so wie er es ihr versprochen hatte. Sie war unwiderruflich verändert worden, damit sie ihre Instinkte auf eine Art und Weise benutzen konnte, die es ihr erlaubte, ihnen wieder zu vertrauen.
Sie holte tief Luft, atmete langsam ein und aus; dieser einfache Akt des Atmens beruhigte sie, versicherte ihr, dass sie noch am Leben war und funktionierte. Sie blickte an sich herunter, um zu überprüfen, ob alles da war, und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass sie noch intakt war. Sie hatte Arme, Beine, Füße und Hände … Alles war da, und alles war wie vorher.
Aber trotzdem war irgendetwas anders. Sie konnte die Veränderung spüren, selbst wenn sie die Quelle nicht ausmachen konnte.
Als sie sich kräftig genug fühlte, setzte sie sich auf und sah sich um. Sie saß im Wald, die Bäume waren lebendig und gesund, ihr Laubdach dick und blättrig, die Zweige waren dunkle Arme, die sich im grauen Licht verschränkten. Sie sah Vögel, die hierhin und dorthin schossen, ebenso grau und farblos wie die Landschaft selbst. Immer wieder erhaschte sie einen kurzen Blick auf winzige Kreaturen, die sich im Unterholz bewegten und von Baum zu Baum sprangen. Schreie und Rufe unsichtbarer Tiere hallten durch den Wald. Und in der Ferne erhob sich, kaum sichtbar zwischen den Bäumen, eine Wand
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