Die Legende von Shannara 02: Die Herrschaft der Elfen
lassen.«
Er blieb stehen und sah sie an. »Ich dachte, wir hätten das bereits besprochen. Ich dachte, ich würde bei Euch bleiben, bis Ihr in Sicherheit seid.«
Sie holte tief Luft. »Ja, das haben wir. Aber das war, bevor mir klar wurde, wie lange diese Angelegenheit dauern und wie gefährlich sie sein könnte. Ich kann nicht zulassen, dass du meinetwegen ständig dein Leben riskierst. Nicht einmal Tasha und Tenerife würden dem zustimmen. Du kannst nichts mehr für mich tun.«
Der Junge blickte einen Moment auf seine Füße, und sein Gesicht war eine Maske der Enttäuschung. »Tja, da bin ich anderer Meinung.«
Phryne spürte, wie sie innerlich nachgab, riss sich dann zusammen, wollte sich weigern und lenkte schließlich doch ein. »Treffen wir eine Vereinbarung. Du kommst bis zum Ashenell mit mir mit. Ich hätte nichts dagegen, wenn jemand bei mir ist, wenn ich diesen Ort betrete. Es gefällt mir dort nicht sonderlich. Aber danach verlässt du mich und gehst nach Hause zurück.«
Er hob den Kopf. »Einverstanden. Außer dass wir noch einmal darüber reden, wenn wir da sind.«
Sie wollte widersprechen, aber er hatte sich bereits abgewandt und ging rasch den Pfad entlang, ohne ihr eine Chance zur Antwort zu geben. Sie blickte ihm einen Moment lang nach und gab dann auf. Um Xac Wen konnte sie sich später noch kümmern, nachdem sie gefunden hatten, was sie auf der Bestattungsstätte finden sollten.
Am westlichen Horizont zeigte sich schon der erste Silberstreif. Das schwache Licht durchdrang die Dunkelheit gerade genug, um anzukündigen, dass der Morgen graute. Ihnen blieb nur noch wenig Zeit für das, was sie auf der Bestattungsstätte tun mussten; und auch wenn Phryne keine große Lust hatte, zum Ashenell zu gehen, während es noch dunkel war, wusste sie doch, dass es nach Sonnenaufgang weit gefährlicher für sie war. Sie beschleunigte ihre Schritte, überholte Xac Wen, der sie überrascht anblickte und sich dann beeilte, mit ihr mitzuhalten.
Sie gingen zügig weiter, bis sie den Stadtrand im Norden erreichten und den Eingang zu der Bestattungsstätte fanden. Als sie vor dem Tor ankamen, blieben sie stehen und betrachteten den Friedhof.
Der Ashenell war riesig. Er war zusammen mit der Stadt transportiert worden, als Kirisin Belloruus die Blauen Lodensteine der Elfen nach den Großen Kriegen benutzt hatte, um sein Volk zu retten. In diesen Grabstätten ruhten Hunderttausende Elfen, die im Lauf der Jahrhunderte gestorben waren; etliche waren in riesigen steinernen Mausoleen beigesetzt, die oft als letzte Ruhestätte Hunderter Mitglieder einer Familie dienten, andere Familien lagen mehrere Schichten tief in der Erde, noch andere wiederum waren aufrecht stehend unter Grabsteinen bestattet, die kaum mehr als einen Quadratmeter maßen. Etliche Hunderttausende waren verbrannt worden, und ihre Asche war in Urnen beigesetzt worden. Manchmal teilten sich sogar ganze Familien eine Urne, weil sie es vorzogen, dass ihre Reste für alle Zeiten vereint blieben. Niemand wusste genau, wie viele Elfen hier begraben lagen. Einige Grabsteine waren zerschmettert oder ihre Inschriften so stark beschädigt worden, dass sie nicht mehr leserlich waren. Und jene, denen sie gewidmet waren, waren verloren. Etliche Grabmale waren zusammengebrochen, und viele Grabstätten waren neu vergeben worden. Über alle Toten Buch zu führen in einer Stadt, die seit dem Anbeginn des Feenlandes existiert hatte, war schlicht unmöglich. In den Archiven des Palastes wurden zwar Unterlagen aufbewahrt, aber selbst die hatten nicht vollkommen intakt die Kriege überstanden.
Aber nicht das war es, was den Ashenell für Phryne zu einem so unheimlichen Ort machte. Es waren nicht die Toten oder ihre Grabmäler und Grabsteine.
Sondern die dunkle Magie, die in der Erde ruhte.
Jeder kannte die Geschichten. Von Elfen, die spurlos verschwunden waren, als sie nach Einbruch der Dunkelheit zwischen den Gräbern einherschlenderten. Oder Elfen, die sich an den Grabsteinen und den Schriften zu schaffen gemacht hatten und deren verbrannte Leichen später gefunden wurden. Es gab Geschichten von Elfen, welche die Bestattungsstätte betreten, aber nicht mehr den Weg hinaus gefunden und sich verirrt hatten. Elfen, die Kreaturen und Dingen begegnet waren, welche so furchterregend waren, dass es sie Stimme und Verstand gekostet hatte. Und Geschichten von Elfen, die zu etwas vollkommen Unkenntlichem verändert worden waren.
Phryne glaubte nicht an all diese
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