Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
Unauslöschlichen treten durfte, um ihnen zu berichten, dass sie alle Priester der Infamen ausgerottet und die Relikte vernichtet hatten, bescherte ihm keinen Trost. Aber Ishînaia gab ihre Unendlichkeit für eine großartige Sache. Durch sie wurden die Leben unzähliger Albae gerettet.
Drâcoràs holte die verbliebenen Inagsàri kurz vor dem Erreichen der Hengste ein und half ihnen beim Tragen.
Den Leichnam wickelten sie in eine Decke und nahmen ihn in aller Heimlichkeit mit nach Dsôn. Nicht nur er, Hëironî und Tólanôri sollten Nagsar Inàstes Segen für ihr erfolgreiches Wirken gegen die Ungetreuen erhalten. Auch Ishînaia sollte mit dem Siegel der Unauslöschlichen auf ihrer Stirn bestattet werden. Das wird man ihr sicherlich nicht verweigern.
Und Drâcoràs würde Recht behalten.
Ishím Voróo (Jenseitiges Land), Albaereich Dsôn Faïmon, Dsôn 4370. Teil der Unendlichkeit (5189. Sonnenzyklus), Frühherbst
Drâcoràs schlüpfte in seine alte Rüstung, die ihm auf zahlreichen Schlachtfeldern gute Dienste geleistet hatte, prüfte ihren Sitz und langte nach dem Helm.
Dann überlegte er es sich anders.
Heute soll jeder sehen, dass ich den Segen der Unauslöschlichen trage. Er befestigte den Kopfschutz mit dem Riemen am Gürtel und trat hinaus auf den Hof der Kaserne.
Morgennebel waberte umher, die Sonnenstrahlen fielen über den Kraterrand und verjagten die letzten zäh dahinziehenden Gespinste.
Seine Truppe wartete bereits auf ihn, den Gardanten, damit er sie in Augenschein nahm, bevor sie durch die Straßen des Schwarzen Herzens marschierten, um für Ordnung zu sorgen, wo es nötig werden würde.
Drâcoràs betrachtete die zwanzig Kriegerinnen und Krieger, die alle noch jung und unerfahren waren. Ich schleife euch schon in Form.
Er fühlte sich gut und dachte an die Inagsàri, die nach der Erfüllung ihres Auftrags zu ihren Einheiten zurückgekehrt waren und den Rang einer Benàmoi erhalten hatten. Man munkelte, dass die Unauslöschlichen in letzter Zeit sehr viele Veteranen zu Offizieren erhoben, was dafür sprach, dass ein Feldzug bevorstand.
»Garde«, rief er, und die jungen Krieger und Kriegerinnen richteten sich auf, hielten die Schilde so, dass sie bis knapp ans Kinn reichten und zogen die Speere zu sich. Ihm entging nicht, dass alle ehrfürchtig auf ihn und sein Zeichen an der Stirn blickten. Dass niemand wusste, warum er von den Unauslöschlichen gesegnet worden war, machte ihn noch geheimnisvoller. »Fertigmachen zum Abmarsch!«
Die Abteilung drehte sich zum Tor, das für sie aufschwang.
Von draußen kam die Nachtwache herein, die Züge von der Müdigkeit gezeichnet, doch mit wachem Blick.
Die Garden grüßten sich mit knappen Rufen.
Drâcoràs wollte eben den Befehl zum Ausrücken geben, als ein einzelner Reiter auf einem Nachtmahr hereindonnerte und den Rappen mit einem sehr gewagten Manöver zwischen den Kriegern hindurchjagte.
Hëironî? Drâcoràs machte einen Schritt nach vorne und griff ins Zaumzeug des Nachtmahrs, um ihn zum Stehen zu bringen. Das schwarze Tier troff vor Schweiß, am Sattel und an den Flanken stand der Schaum. Schnaubend versuchte das Tier, nach seiner Hand zu schnappen, so aufgepeitscht war es von der wilden Jagd.
Drâcoràs wich behände aus. Er kannte die Eigenheiten der Rappen.
Die Albin sprang auf den Boden, packte ihn am Arm und führte ihn einige Schritte weg von der Truppe. »Wir wurden betrogen«, stieß sie wütend hervor.
Er wusste nicht, was sie so aufgebracht wie den Nachtmahr gemacht hatte, doch da sie ihren einstigen Anführer nicht einmal gegrüßt hatte, musste es etwas Ernstes sein. »Erkläre mir, was geschehen ist.«
»Damals, in Wèlèron«, sprach sie gedämpft. »Die kleine Cîanai namens Marandeï. Sie muss eine Ungetreue gewesen sein. Nicht die anderen, die wir umbrachten.«
Eine eiskalte Faust umklammerte Drâcoràs’ Herz und presste es zusammen. »Was?«
»Die Akademie ist Schutt und Asche, sagt man. Eine schwarze Wolke stieg über dem Strahlarm der Gelehrten auf, und nach allem, was ich hörte, ist Marandeï beteiligt gewesen.« Hëironî nahm ihm die Zügel aus der Hand und übergab sie einem der Gardisten, um den Inagsàri noch weiter von den Kriegern zu führen. »Sie täuschte uns, Drâcoràs! Sie war die Ungetreue, und wir tappten in ihre Falle wie zuvor Ishînaia.«
»Aber …« Für ihn klang es zu unglaublich. Nein, das kann nicht … »Wir untersuchten sie. Keiner von uns entdeckte das Zeichen
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