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Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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züngelte. Sein Herz hatte den Schreck noch nicht verwunden und klopfte schneller. »Dachte, sie hätten dich erwischt.«
    »Nein, haben sie nicht. Sie sind gegangen, aber sie ließen etwas in Pt’rai zurück. Ich sah mich um.« Er wackelte mit dem Stock. »Hier, das ist es! Das verursacht den Geruch. Ich denke, es …«
    Etwas surrte aus dem Nichts heran.
    Reg’sains Kopf zuckte herum, doch es war zu spät. Ein radgroßes Geschoss traf zuerst den Stock, den er hochhielt, und zerteilte das Holz; dann durchschlug es Reg’sains Brustkorb und warf ihn augenblicklich nieder. Beinahe vollständig durchtrennt lag der Freund auf der Erde, blubbernd ergoss sich sein grünlichblaues Blut aus ihm und füllte die vorhandenen Pfützen.
    W’shar erkannte einen immensen Rundschild, dessen Ränder geschliffen blitzten. Er lag mit Lebenssaft besudelt einige Schritte neben dem Toten.
    Der Werfer blieb im Verborgenen und wartete. Lauerte.
    W’shar warf den Bogen von sich, schleuderte den Köcher davon, der ihm beim Laufen behinderte. Der letzte Überlebende von Pt’rai wandte sich um und rannte zum Tor hinaus, um den Weg entlang und in den Schutz des Waldes zu fliehen. Die Mauern seiner Stadt bedeuteten nun nicht mehr größten Schutz, sondern sicheren Tod.
    W’shar schlug Haken, um möglichen Geschossen ein schweres Ziel zu sein. Weder sah er über die Schulter noch wusste er, was er nach der gelungenen Flucht tun sollte. Er war alleine, ohne den Schutz weiterer Artgenossen. Der Letzte der Oudwen.
    Mit einem Satz warf er sich kopfüber ins Unterholz – als ihm ein gepanzerter Arm entgegenschnellte, die weit gespreizten, stählernen Finger eines gewaltigen Panzerhandschuhs schossen auf sein Gesicht zu.
    W’shar bekam keine Gelegenheit, seinen Fall aufzuhalten. So zischte er hilflos und riss den Mund weit auf, die Giftzähne schnellten aus den verborgenen Gaumentaschen. Vielleicht ließ sich sein Widersacher beeindrucken.
    Dann krachte er schon mit dem Gesicht gegen die Handinnenfläche. Die fünf Stahlfinger schnappten fallenartig zu, umspannten den oberen Schädel und das Gesicht; der ausgestreckte Arm hielt seinen Sprung abrupt auf.
    Dann wurde W’shar angehoben.
    Das Krachen des eigenen Schädels beim Einschlag dröhnte in seinen Ohren, Schmerzen jagten durch seinen Kopf. Das Schreien wollte dem Oudwen nicht gelingen, die Eisenhand drückte zu fest und bannte die Worte in seiner Kehle. W’shar pendelte über dem Boden, erschlafft und voller Qual.
    Ein durchdringendes, tiefes Grollen ertönte, gefolgt von einem Laut, den man nur als finsterstes Lachen deuten konnte.
    Er spürte, dass sich die schraubstockhafte Kraft auf seinen Kopf verstärkte, seine Sicht trübte sich und wurde unvermittelt tiefgrün mit blauen Schlieren.
    W’shar glaubte, das laute, helle Splittern zu hören, mit dem der Gegner seinen Schädel zerquetschte, als bestünden die Knochen aus Glas. Die Pein steigerte sich, er kreischte und warf sich herum, so gut es ihm möglich war.
    Dann platzte sein Kopf mit einem dumpfen Geräusch.
    Damit wich das Leben des Letzten der Oudwen.
    Genugtuung und Stolz.
    Das fühlte Lrashàc thar Draigònt, als er den hässlichen Kopf des Oudwen zerpresste und dessen Hirnmasse auf dem Laub des Waldes verteilte. Es hatte sich gelohnt, die Stellung des vorgeschobenen Beobachters einzunehmen, auch wenn er lieber mit in die letzte Siedlung vorgerückt wäre, um den Willen der Srai G’dàmá, der Heiligen Kaisermutter, zu erfüllen.
    Doch Lrashàc fügte sich. Nur mit strikter Disziplin konnten sie ihren Auftrag erfüllen.
    Seine purpurfarbenen Augen betrachteten das, was zwischen den stahlgeschützten Fingern herausquoll: weißliche Splitter, Blut, Haarsträhnen, graue Masse, die zu nichts mehr taugte.
    Achtlos schleuderte er den Kadaver zur Seite, der Oudwen flog ins Unterholz. Mochten die Tiere seine Überreste fressen, es kümmerte Lrashàc nicht. Er verspürte momentan keinen Hunger.
    Er trat aus dem Waldessaum heraus und blickte zur hölzernen Stadt, in der die Nachhut den vorbereiteten Brenntalg verteilt hatte. Seine Rüstung schuf dabei ein beinahe unhörbares Reiben; die Schmiede hatten ihr Bestes gegeben und dämpfende Lederschichten eingezogen, damit der Ganzkörperharnisch möglichst wenig Geräusche verursachte. Gelegentlich mussten auch sie so rasch und lautlos wie möglich vorgehen.
    Qualmwolken stiegen bedrohlich in den dunkelblauen Abendhimmel, Lohen zuckten an den Bauten empor; sie schienen sich abzustoßen

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