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Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Künstler«, brummte Cîphoras und sprang auf den Boden, klopfte gegen die Tür. »Die Lieferung«, rief er fröhlich.
    Das schmale Tor wurde aufgerissen.
    Ein sehr hagerer, bleicher Alb blickte ihn nur kurz an, ehe sich seine Aufmerksamkeit auf die Ladefläche richtete. Seine abweisende Miene hellte sich auf. »Oh, das ist wundervoll«, wisperte er. Er wieselte hinaus, umrundete den Wagen wieder und immer wieder, berührte die Gebeine und wählte mit sicherem Griff Stück um Stück aus.
    Cîphoras fand den jungen Alb seit ihrem ersten Treffen unheimlich. Er besaß den Wahnsinn, den man besonders herausragenden Künstlern nachsagte, was ihn jedoch keineswegs einnehmend wirken ließ.
    Aber er zahlte gut, auch für die Sonderleistungen.
    Anfangs hatte sich Cîphoras gewundert, warum ihn der aufstrebende Skulpteur bezahlte, damit der Händler Spionage sowohl für Ûtralor als auch Hâtiràs betrieb. Beide wurden mit Wissen über den Widersacher beliefert.
    Nun ahnte Cîphoras, dass sein unheimlicher Kunde die beiden Künstler bewusst gegeneinander ausgespielt und von Anfang an beabsichtigt hatte, sich auf den frei werdenden Skulpteurthron zu erheben.
    Der dürre Alb hatte seine Wahl beendet. »Wie viel?«, fragte er und hielt einen kleinen Stapel Gebeine wie Brennholz auf den schlanken Armen. Zielsicher hatte er die perfektesten Knochen ausgesucht.
    »Vierzig«, antwortete Cîphoras und wagte es nicht, mehr zu verlangen. Nicht von diesem Verrückten.
    »Ein guter Preis!«, jauchzte der Skulpteur und verschwand mit der Auswahl durch das Tor. »Du bleibst draußen«, rief er drohend. »Schnüffle bei anderen!«
    Cîphoras verdrehte die Augen. Als ob er sich freiwillig in das Reich des Wahnsinnigen begeben würde. Er traute ihm alles zu.
    Der junge Alb erschien und drückte ihm zwei große Goldplättchen in die Hand. »Nimm.« Cîphoras überlief es kalt, als der Blick des Künstlers plötzlich an seinem Unterarm hängen blieb. »Du hast schöne Knochen«, flüsterte er. »Perfekt. Perfekt, um eine …«
    Cîphoras zog den Arm zurück und flüchtete regelrecht auf den Kutschbock. »Ich wünsche dir genügend Eingebung, Insàlor.« Er gab den Pferden die Peitsche, um schnell weg zu kommen. »Die Winde stehen gut für dich.«
    »Tossàlor!«, brüllte ihm der Alb wütend nach. »Mein Name ist Tossàlor! Merke ihn dir! Dsôn wird meinen Namen bald kennen.«
    Cîphoras zweifelte nicht daran.

    … sein Name wurde bekannt, wenn auch nicht mehr im alten Dsôn.
    Doch Ûtralor und Hâtiràs zeigten, wie weit unser Volk gehen kann, um die Kunst unvergänglicher als den Schöpfer zu machen.
    Nennt es Wahnsinn, nennt es Unvernunft oder Besessenheit – doch das unterscheidet uns von allen anderen Völkern: Wir sind wahre Künstler.

Von Horgàta und Narósil und was ihnen widerfuhr
    Eines der größten Geheimnisse unseres Volkes: Was geschah mit Horgàta und dem Heer, das sie aus Tark Draan führte, als sie die Elbinnen nach der Schlacht bei Mühlenstadt hetzte?
    Ich durfte es erfahren und denke, dass es an der Zeit ist, das Rätsel zu lüften.
    Denn die Albae, die aus dem Süden stammen und zu uns stießen, sind uns tatsächlich näher, als die meisten von uns glaubten.
    Auch wenn manche sie mit Abscheu betrachten und nicht wissen, woher ihr unstetes Wesen rührt, so sind sie unsere Verwandten.
    Mehr, als wir erahnten.
    Mehr, als wir möchten.
    So lest und staunt und hört, dass Horgàta nicht selbst nach Tark Draan zurückkehrte – jedoch ihre Blutlinie, in die möglicherweise der Einfluss unserer Todfeinde geriet. Ob es uns nun gefällt oder nicht.

    Ishím Voróo (Jenseitiges Land), viele Meilen südlich des Blauen Gebirges, 4371. Teil der Unendlichkeit (5200. Sonnenzyklus), Winter
    Horgàta preschte auf dem Rücken ihres Nachtmahrs über den Schnee; das Weiß explodierte regelrecht um die blitzenden Fesseln des Rappen, verging zischend in den magischen Entladungen.
    Die Albin duckte sich unter den heranschnellenden Ästen hinweg, um nicht getroffen zu werden. Die Kapuze des langen, schwarzen Mantels war nach hinten gerutscht, Strähnen ihres weißblonden Haares verfingen sich gelegentlich in den Zweigen und entglitten ihnen wieder. Die Schmucksteine und das Knochenschnitzwerk erzeugten leise Geräusche, die nicht gegen das Donnern der Nachtmahrhufe ankamen.
    Horgàta hielt die gänzlich schwarz verfärbten Augen auf ihre Beute gerichtet, die keine zehn Schritte vor ihr durch den winterlichen Wald dahinjagte. Weder das

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