Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
Ösen und Schnüre verliefen; ein kurzer Zug, und die Panzerung schmiegte sich eng an ihn.
Der Helm sitzt perfekt. Der Alb hörte und roch durch die Schlitze ungemindert gut. Die Wurfdolche saßen passgenau und hinderten ihn nicht an den geschmeidigsten Bewegungen, als er sich zur Probe durch die Kammer bewegte, auf allen vieren kroch, sich schmal und klein machte oder die Tragebalken spielend erklomm. Nicht ein verräterisches Geräusch. Er sprang zurück auf den Boden, zwischen seine Besucher. »Ich schulde den Unauslöschlichen riesigen Dank für diese Gabe.«
»Ihr Inf… bei Samusin«, entfuhr es Carmondai. »Ich würde glauben, dass du zu sehen vermagst, so sicher kletterst und schleichst du!«
Virssagòn gab einen Laut der Zustimmung von sich. »Das Geschenk ist wohlgelungen. Auf einen normalen Barbaren und sogar einen Elben wirst du wirken wie ein Wesen aus einem schrecklichen Traum. Das Gesichtslose, diese Schwärze macht deine Erscheinung vollkommen. Du könntest ebenso ein Dämon sein.« Er ging zur Tür und öffnete sie. »Ich freue mich, wenn wir zusammen auf die Jagd gehen. Bis dahin, Arviû. Und meine Hochachtung. Selbst mein bester Schüler Gàdion hätte Schwierigkeiten, gegen dich zu bestehen.« Er ging hinaus.
»Kann man ein größeres Lob erhalten?« In der Stimme des Geschichtenwebers schwang die begeisterte Fassungslosigkeit mit, die ihn erfüllte. »Verharre, Arviû. Bitte, ich muss das zeichnen, um es für alle Zeiten festzuhalten: Du, in dieser Rüstung, umringt von deinen Vena-Katzen!« Der Stift huschte über das Papier. »Ich will nicht zu viel prophezeien, aber ich durfte soeben Zeuge sein, wie eine Legende geboren wurde.«
»Ich dachte, ich sei ein Dämon?« Arviû lachte, und es klang durch den Helm dumpf und gefährlich zugleich. »Beeile dich. Ich habe Hunger. Und meine Lieblinge auch.«
»Dann sollte ich es bei einer groben Skizze belassen und zu Hause an einem größeren Werk arbeiten«, erwiderte Carmondai. »Doch schlugen die Vena-Katzen nicht erst gestern einen Nachtmahr?«
Ihm fiel ein, dass er dem unbekannten Alb dafür noch eine Entschädigung schuldete. »Sie sind noch im Wachstum und brauchen viel Fleisch. Sie sind nun einmal auf Nachtmahre geprägt und verschmähen anderes Fleisch«, erklärte er. »Das macht es schwierig, genug Nachschub zu bekommen. Oder sagen wir: kostspielig.«
»Doch durch deren Blut haben sie ihre Besonderheiten erlangt, sagt man sich.«
Arviû lächelte hinter seiner Maske. Erwartest du eine Erklärung? Er wusste, dass man sich in Dsôn viel über seine Helfer erzählte. Niemand anderem war es gelungen, Raubtiere derart exakt abzurichten.
Genau zu erklären vermochte er es kaum, doch es hatte zum einen mit dem besonderen Fleisch der Rappen zu tun – und der Magie, die ihnen innewohnte wie einem jeden Alb. Diese besondere Nahrung musste die Vena-Katzen verändert haben.
»Das könnte sein.« Er würde Carmondai nicht offenbaren, dass er Sféa, Lârc, Ûsh und Arà durch einen kleinen Schnitt sein eigenes Blut eingebracht hatte.
Durch die Vena-Katzen floss albischer Lebenssaft, was sie an ihn gebunden hatte, ähnlich wie man es bei der Erschaffung reinrassiger Nachtmahre tat, indem man ein Einhorn umwandelte. Eines der Jungtiere hatte die Prozedur zu seinem Leidwesen nicht überstanden. Das Üben und Abrichten fiel fortan einfach. Es gab eine unsichtbare Verbindung zwischen ihm und den Tieren.
Arviû zog den Helm ab und befreite sich aus der Rüstung, um den Morgenmantel über die Unterwäsche zu streifen. »Dann wünsche ich dir einen guten Tag. Carmondai. Du wirst sicherlich auf den Baustellen gebraucht.«
»Zuerst werde ich das Bild von dir und deinen Kätzchen malen, danach kümmere ich mich um Dsôn und seine Gebäude. Wir haben genug Baumeister.« Er packte den Kohlenstift weg, klappte das Buch zu und eilte hinaus. »Bis bald!«
Die Tür fiel zu.
Er ist ein Besessener. Wie ich. Arviû streichelte die Köpfe seiner Vena-Katzen nacheinander, die Tiere schnurrten dunkel und strichen um seine Beine. Schade, dass ich das Bild niemals sehen werde. Der Alb seufzte und fühlte, dass sich Wutlinien über sein Antlitz zogen. Verdammte Elben!
Achtsam verstaute er die Rüstung auf der Halterung, sodass er sie bei Bedarf sofort finden würde, kleidete sich in sein schwarz-rotes Gewand mit dem hohen Kragen, schlüpfte in die Stiefel und legte die kunstvoll geschnitzte Halbmaske aus Schwarzholz an, die Stirn und Augen bedeckte. Damit verbarg
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